Er hat es wieder getan: Ein Kochbuch veröffentlicht, das sich wie warme Semmeln verkauft und einen weiteren Platz auf den Atilla-Hildmann-Tischen in den Bücherläden beansprucht. Das neueste Werk? – Vegan Italian Style.
Anmerkung: Dass sich an Herrn Hildmann die Geister scheiden, ist mir bewusst – ich habe in meiner Rezension über Vegan for Starters ausführlich Stellung dazu bezogen.
Rezension Vegan Italian Style
Die”leckerste Küche der Welt” wurde durch den populärsten aller veganen Kochbuchautoren einer gründlichen Begutachtung unterzogen, die die umgehende Veganisierung bekannter italienischer Klassiker nach sich zog.
Im Umschlagstext heißt es dazu:
“Attila Hildmann hat alle Gerichte für den gesunden Genuss tierfrei und raffiniert in seiner bekannten hohen Rezeptqualität zubereitet: Antipasti, Pizza, Focaccia, Carpaccio, Crostini, Risotto, Gnocchi, Tagliatelle, Lasagne, Spaghetti, Polenta, Frittata, Orecchiette und viele, viele andere mehr.”
“Viele, viele andere mehr” – das ist angesichts der Stärke des Buches von knappen 200 Seiten reinem Mehrwert-Inhalt durchaus zutreffend.
Vegan Italian Style: Das Konzept
Vegan Italian Style möchte gesunde, leckere und bunte italienische Küche präsentieren, die zu 100% aus pflanzlichen Zutaten besteht.
Neben Rezepten, die genau diesen Bedürfnissen entsprechen, wird uns ein Einblick in die italienische Kulinarik gegeben – wir erfahren etwas über die Mentalität des Essens (sehr entspannt, sehr familiär) und über die gesundheitlichen Vorteile einer “mittelmeerischen” veganen Ernährungsweise.
Zunächst verliert Attila einige einleitende Worte über den Stellenwert des Essens in Italien. Die Affinität der Italiener* innen zu möglichst marktfrischem Obst und Gemüse wird ebenso hervorgehoben wie die traditionell familiäre Art des Essen-Zelebrierens, von dem wir in Deutschland uns durchaus etwas abschauen dürften.
Dem ist angesichts des Billig-und-schnell-Wahnes in deutschen Supermärkten und dem anhaltenden Boom der Fast-Food-Ketten hierzulande nichts entgegenzusetzen.
Bekam ich zu Beginn der Lektüre etwas Sorge, dass uns Leser* innen hier ein verfälscht-bäuerlich-vorbildlich-grünes Italienbild gezeichnet werden soll, so wurde ich positiv enttäuscht. Denn Attila selbst merkt nach den ersten Seiten an:
“Natürlich wird in Italien nicht alles auf dem Markt eingekauft. Auch hier gibt es Supermärkte und Discounter, selbst in kleinen Städten und Dörfern. […] Leider immer stärker sichtbar sind auch dort moderne Einflüsse und viele Regale sind voll mit Convenience-Produkten wie Dosensuppen und Fertiggerichte.”
Fortgeführt wird die Einführung in die italienische Küche mit einer Auflistung der besten und dominierendsten Zutaten: dem Olivenöl, vielfältigen Kräutern wie Basilikum, Oregano und Thymian sowie Tomaten, Rotwein und Knoblauch. Zu jeder Hauptzutat hat Attila einige Fakten zur Verwendungsgeschichte (Olivenöl wurde bereits in Galiläa zum Kochen genutzt) sowie den gesundheitlichen Vorzügen zusammengetragen. Besonders ausgeweitet kommen diese Informationen bezüglich des Knoblauchs daher, der in der italienischen Küche gerne und häufig verwendet wird. Man kann sich allerdings das Schmunzeln nicht verkneifen, wenn es heißt:
“Die vielen Studien, die spannende Medizingeschichte von Knoblauch und die Tatsache, dass Knoblauch in der italienischen Küche unverzichtbar ist, sollten uns aber animieren, mehr davon zu essen und nicht die Nase zu rümpfen, wenn der Nachbar nach Knoblauch stinkt. Lieber einfach mitessen und mitstinken – das macht gesund, fit und gesellig.”
So interessant die entsprechenden Fakten auch sind, die Attila hier mit zahlreichen wissenschaftlichen Belegen angefüttert präsentiert – zwischen Tür und Angel könnt ihr den Einleitungsteil dieses Buches definitiv nicht lesen: Begriffe wie “ORAC-Wert” und Sätze wie “Resveratrol aktiviert die Sirtuin-Enzyme” sorgen dafür, dass ihr euch beim Lesen durchaus konzentrieren dürft. Doch das soll nicht zum Nachteil des Buches ausgelegt werden: Ich persönlich finde es seriös, wenn ich auch beim Lesen eines Kochbuches, dem schließlich ein umfassendes Konzept (vegan, gesund, einfach, schnell, fit) zugrunde liegt, etwas gefordert werde.
Schön ist auch der stilistische Grundtenor: Wie von Attila gewohnt, wenig missionierend und diktatorisch, dafür aber umso motivierender und toleranter – Beispiel Alkohol:
“Abschließend bleibt die Frage offen, ob es sich lohnt, die negativen Effekte von Alkohol auf den menschlichen Körper für Resveratrol in Kauf zu nehmen. Das entscheidet am besten jeder selbst.”
Will sagen: Ich habe euch hier die Vorteile präsentiert, die mäßigem Konsum innewohnen, zugegeben, dass ich auch gerne mal ein Gläschen trinke – was ihr daraus macht und wie ihr dazu stehen wollt, ist eure Sache. Sehr sympathisch, weil offen und transparent und doch nicht zeigefingerhebend.
Freudig habe ich in Anbetracht dessen, dass ich vor Kurzem einen Artikel über dieses Thema verfasst habe, auch das Plädoyer für gute Lebensmittel gelesen, die durchaus auch etwas teurer sein dürfen, denn:
“Eine der wichtigsten Weisheiten Italien ist: “Das Leben ist zu kurz für schlechten Weins.” Es ist auch zu kurz für minderwertige, pestizidbelastete Produkte der Massenfarmen.”
Grundlagen perfekt selbstgemacht
Die italienische Küche ohne Pasta. Oder Pizza. Schwer vorstellbar, oder? Und darum gibt es Tipps zur perfekten Nudelteig-und-Pizza-Selbstherstellung.
- Echte italienische Pasta werden nicht abgeschreckt! (Dank Mr. Grünzeugs Expertise auf diesem Gebiet habe ich das Gott sei Dank auch nie gemacht.)
- Echter italienischer Pizzateig wird nicht ausgerollt! (Upps…)
- Echt italienische Pizza kommt ohne Käse aus! (Richtig!)
- Es gibt keinen Kochwein! (Aha.)
Positiv ist mir auch hier die Hinwendung zu unverarbeiteten Lebensmitteln aufgefallen:
“Veganen Ersatzkäse wirst du in diesem Buch vergeblich suchen, diese Chemiebaukastenprodukte mit ellenlangen Zutatenlisten haben nichts mehr mit authentischer italienischer Küche oder gesundem Essen zu tun.”
Mir als passionierter am-liebsten-alles-Selbermacherin hat dieser Abschnitt nachvollziehbarerweise ein Leuchten in die Augen gezaubert – und als ich die Abbildungen mit den rosafarbenen Ravioli gesehen habe, wäre ich am liebsten sofort in meine eigene Küche gestürzt und hätte sie nachgekocht. Doch abgesehen davon, dass ich mich bemühe, auch in meinen eigenen vier Wänden respektable Bürgerin zu sein und respektable Bürgerinnen nicht um halb 12 in der Nacht beginnen, Pasta-Experimente in der Küche zu veranstalten, hat mich das zunächst scheinbare Fehlen eines Grundrezepts sowohl für Pasta als auch für Pizza irritiert. Ich meine: Es ist toll, dass hier für das Selbermachen plädiert wird – aber wenn der Leser oder die Leserin die Tipps nicht gleich durch ein Rezept praktisch umsetzen kann, ist doch eigentlich nur die Hälfte getan, oder? Nachdem ich alle Rezepte gründlich studiert hatte, habe ich die einzelnen Grundrezepte für Pasta, Ravioli und Tortellini zwischen ihnen in komplexere Gerichte integriert gefunden. Hier hätte ich es schöner und praktischer, weil übersichtlicher, gefunden, wenn diese Grund-Teige bereits am Anfang des Kapitels auf einer separaten Seite vorgestellt worden wären.
Viva Italia: Die Rezepte
Vegan Italian Style weist – wie seine Vorgänger Vegan for Youth und Vegan for Fit – ein umfassendes Rezepte-Repertoire auf, das sich wie folgt untergliedert:
- Antipasti e pane – Leichtes zu Beginn
- Insalate – Vegan, frisch, italienisch
- Pasta e Pesto – Köstliche Nudelgerichte
- Pizze – Kross und herzhaft frisch aus dem Ofen
- Secondi piatti – Der italienische Hauptgang
- Dolci – Der süße Abschluss
Das Kapitel Leichtes zu Beginn wird mit den Worten “schnelle, leichte Snacks und Brotvarianten” eingeleitet. Da auch in diesem Band wie bereits auf den Vorgängerbüchern bekannt mit bestens präparierten Food-Fotos gearbeitet wurde, kommt der hungrigen Leserin allerdings schnell der Gedanke, den Fenchelauflauf jetzt gleich als Hauptgericht zuzubereiten. Am besten haben mir – selbstverständlich – das Rezept für original italienisches Ciabatta und Focaccia gefallen. Hach – das muss ausprobiert werden! ❤
Das Salat-Kapitel ist im Vergleich zu den anderen Kapiteln des Buches eher dünn gehalten, besticht allerdings trotzdem durch interessante Zutatenkombinationen.
Pasta gibt es in Vegan Italian Style reichlich. Ravioli, Tortellini, Lasagne, Pasta, Pasta im Auflauf, Pasta grün, gelb, rot… Und zum Abschluss des Kapitels wird eine schöne Auswahl veganer Pesto-Alternativen vorgestellt, die – wie in der Einleitung erwähnt – auch als Grundlage für den Pizzateig dienen können.
Die Pizzen, die direkt im Anschluss präsentiert werden, machen definitiv Lust auf Meer. Toll finde ich hier, was mir in dem Pasta-Kapitel gefehlt hat: Jedem Pizza-Rezept ist sowohl die Teig- als auch die Belagszubereitung beigegeben.
Auch die vielfältigen Gerichte, die unter den Secondi Pasti zusammengefasst sind, haben mich persönlich gleich zum Nachmachen inspiriert. Von den bekannten Aubergine-Röllchen über Safranrisotto bis hin zu Schnitzel mit Spaghetti und Tomatensauce findet ihr hier alles, was euch italienische Kochgenüsse beschert.
Die Zutaten – nicht immer leicht
So schön und vielfältig ich die Rezepte in Vegan Italian Style auch finde – nicht immer sind die entsprechenden Gerichte kalorientechnisch unbedenklich. Es kommt natürlich stark darauf an, wie da die eigenen Prioritäten (auch im Zusammenhang mit dem eigenen Essverhalten) liegen, aber ich persönlich kann Rezepte mit viel Paniermehl (unter anderem das eben erwähnte Schnitzel) oder 200ml-Sojasahne-Creme nicht wirklich viel abgewinnen. Schmecken mag es zwar, doch ich stelle mir die entsprechenden Gerichte doch sehr schwer im Magen liegend vor. Schade finde ich auch, dass hier viel mit Weizenmehl gearbeitet wird – weniger in den Brot- und Pizzateigen als vielmehr in den restlichen Gerichten, bei denen man aus meiner Perspektive auch sehr leicht und unkompliziert auf Dinkelalternativen hätte ausweichen können.
Fazit: Kaufen oder nicht kaufen?
Trotz der angeführten Kritik denke ich, dass sich die Anschaffung von Vegan Italien Style auf jeden Fall lohnt.
Die vielen bunten und toll präsentierten Rezepte decken alle Gerichte ab, die wir von der italienischen Küche lieben und zeigen uns, dass vegane Varianten spielend leicht herzustellen sind. Zudem nehmen wir beim genauen Durchlesen des gesamten Inhaltes (ich weiß, das ist bei Kochbüchern manchmal schwer – das Interessante sind ja gerade die Rezepte!) einige wirklich wichtige Informationen mit und bekommen zumindest einen kleinen Einblick in die italienische Essens- und damit auch Lebensart.
Die “schweren” Rezepte – beispielsweise das Tiramisu mit knapp 1200g Sojasahne – kann man, genügend Erfahrung in der veganen Küche vorausgesetzt, durch kalorienärmere Zutatenalternativen den eigenen Bedürfnissen anpassen (was bei mir definitiv geschehen wird). Falls euch derartige Rezepte allerdings keine Bauchschmerzen bereiten, werdet ihr rein gar keine Kritikpunkte an Vegan Italian Style finden.
Falls ihr nun Lust auf diesen neuen Geniestreich Hernn Hildmanns bekommen habt, könnt ihr das Buch hier beim Becker Joest Volk Verlag bestellen.
Habt ihr es euch Vegan Italian Style schon gekauft? Oder bisher unberührt und unbeachtet im Regal eures Buchhändlers stehen gelassen?
*Für diese Rezension wurde mir freundlicherweise (und mit sehr netter Betreuung) ein Exemplar vom Becker Joest Volk Verlag zur Verfügung gestellt. Ich bedanke mich ganz herzlich! ❤
ich habe all seine bücher, dies fehlt mir noch. nicht unbedingt weil ich alle soo toll finde, sondern sie in der gestaltung wunderschön finde. 🙂
Oh, ja – die Gestaltung ist wirklich umwerfend. Er hat einen sehr guten Food-Fotografen. 😉
Mir gefallen allerdings auch die Rezepte sehr gut – vor allem, weil ich ohnehin selbst ähnlich koche und sie sehr abwechslungsreich sind.
Aber die Hauptmessage ist ja: Vegan geht einfach, lecker und unkompliziert. Und ich finde, genau das ist der Knackpunkt, den es zu vermitteln gilt.
Wirst du dir denn auch dieses Buch anschaffen, um deine Sammlung zu vervollständigen? 🙂
Liebe Grüße
Jenni