— Anzeige: Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit Wildling. —
Die Zeit vergeht so rasend schnell: Erst vor ein paar Wochen war ich im Kölner Atelier von Wildling und habe mir erklären lassen, wo genau die Materialien für die Minimalschuhe herkommen und wie der Prozess von der Schuh-Idee über das Design bis hin zum fertigen neuen Modell eigentlich genau abläuft.
Und dann kam Corona und irgendwie ist jetzt alles in ein Davor und Danach geteilt, eine beispiellose Zäsur. Mein Atelierbesuch in Köln bei den Wildlingen zählt auf jeden Fall zu den sehr schönen Erinnerungen des Davor und ich hatte schon in diesen paar Stunden allerspätestens große Lust darauf bekommen, ein eigenes Paar Wildlinge zu besitzen und war sehr gespannt, wie ich wohl mit ihnen klarkommen würde.
Dazu muss ich sagen, dass es sich hierbei nicht um meine erste Minimalschuh-Erfahrung handelt: Vor einigen Jahren, als ich noch sehr ambitioniert gelaufen bin (und es damit direkt so übertrieben habe, dass meine Beine immer noch schnell überlastet werden), habe ich mich eine Weile an den Vivo Barefoot versucht, bin aber aus irgendwelchen Gründen nie so richtig mit ihnen warm geworden. Vielleicht lag es an der Farbe, die – wie ich später herausfinden musste – wenig alltagstauglich war (ein Eisblau), vielleicht war ich aber auch schlicht und ergreifend noch nicht so richtig bereit, mich auf Minimalschuhe einzulassen.
Das erste Herantasten
Nun also Wildlinge.
Ich muss sagen: Ich war ganz aufgeregt, als die Kartons bei uns ankamen und ich sie endlich auspacken durfte – denn es ist immer besonders schön, wenn man ein wenig hinter die Kulissen blicken durfte und eine kleine Ahnung davon bekommen hat, wer eigentlich an den Produkten, die man nutzen möchte, arbeitet und wie viel Energie und Leidenschaft in sie hineinfließen. Das macht den Umgang damit und sie selbst gleich zu etwas ganz Besonderem.
Abgesehen davon ist das Design der Kartons und beigelegten Info-Heftchens zur richtigen Pflege der Wildlinge so niedlich gestaltet, dass einem direkt warm ums Herz werden muss. Es bleibt gar nichts anderes übrig.
Das Modell, das ich in den Händen halte, ist der Tanuki Niji mit Pride-Flagge, der unter anderem aus Washi-Material (Papier) hergestellt ist. Mein Partner in Crime hat sich für den Tanuki Mori entschieden, der sich durch eine dunkel-türkise Färbung auszeichnet.




Obermaterial: Stretch Washi (75 % Papier, 25 % Polyester) – natural
Decksohle: Washi (75 % Papier, 25 % Polyester) Einlegesohle: Lunatur (80 % EVA* und 20 % Walnussschalen)
Laufsohle: 80 % Synthetikgummi mit 50 % Recyclinganteil, 20 % Kork; 2,5 mm (36 – 41), 3,5 mm (42 – 48) – off-white
Zusatzinformationen: enthält keine Materialien tierischen Ursprungs, wasserdurchlässig
Es knistert ein bisschen, als ich die Wildlinge in den Händen hin- und herdrehe und begutachte. Mein erster Gedanke: Wenn ich es nicht besser wüsste (und ich habe ja schon viele Meinungen eingeholt, bevor ich nun eigene Wildlinge teste), hätte ich ein bisschen Angst, dass der Schuh zu zart für den Alltagsgebrauch ist. Hält der solche Belastungen wirklich aus?
Denn: Die Wildlinge sind federleicht. Den Unterschied merke ich vor allem ein paar Wochen später, nachdem ich fast ausschließlich Wildlinge getragen habe und dann zwischendurch wieder auf normale Sneaker wechsle – sie fühlen sich wie Ziegelsteine an den Füßen an, sehr grob und schwer.
Das Reinschlüpfen in die Wildlinge funktioniert ohne Probleme, genauso wie das erste Mal Kreisedrehen um den Block. Damit sich die Muskeln, Sehnen und Gelenke an die neue Belastung gewöhnen können, wird empfohlen, nicht direkt mit einem ausgedehnten Sonntagsspaziergang in den Wildlingen zu starten, sondern mit behutsamem Herantasten an das doch erst einmal ungewohnte Schuhwerk.


Erste Schritte in den Minimalschuhen
Ich komme jedenfalls prima zurecht: Obwohl sich die ersten Schritte…nunja, irgendwie nackt anfühlen, weil man “eins mit dem Boden wird”, wie S. poetisch formuliert (er ist außerordentlich hin und weg von seinen Minimalschuhen und sowas passiert sehr selten), gewöhne ich mich schnell daran und lerne die neu gewonnene Wendigkeit und Flexibilität sehr zu schätzen.
Wildling ist so wenig Schuh wie möglich, so viel Schuh wie nötig.
Die spezielle Sohle aus Gummi und Kork ist so designed, dass sie maximale Bewegungsfreiheit für die Füße lässt und den Unterschied merke ich beim Gehen im Alltag sehr schnell: Man kann sich fast an Bordsteinkanten festkrallen, viel sicherer balancieren (mehrfach im Wald ausprobiert) und den Fuß wesentlich umfassender einsetzen als in anderen Schuhen.
Noch eine Erkenntnis, die mich außerordentlich freut: Die Wildlinge sind großzügig geschnitten (beim Tanuki Niji reicht es unter Umständen, bei einer Zwischengröße die kleinere Größe zu bestellen) – daher braucht es kein Einlaufen, keine Blasen an den Füßen und vor allem keine aufgescheuerten Fersen, ein Problem, das ich sonst bei so gut wie allen neu gekauften Schuhen habe (meine Fersen sind daher auch mittlerweile mehr oder weniger stark vernarbt). Die Wildlinge hingegen passen vom ersten Tag an so, als hätte man sie schon drei Jahre eingelaufen und das macht meinen Schritt gleich noch ein bisschen beschwingter.
Minimales Design, maximale Wirkung.




Nach ein paar Mal Unterwegssein in den Minimalschuhen merke ich, dass meine Muskeln im Fersenbereich und der Wade ein bisschen katerig sind und ich meinen Fuß auch beim normalen Barfußlaufen in der Wohnung anders aufsetze als vorher: Jetzt ist es mehr ein Tasten, ein Sich-Zu-Bewegen auf den Untergrund, weniger ein Auf-Patschen. Bedachter irgendwie, aber auch vorsichtiger.
Dennoch: Ultimative Katerschmerzen bleiben aus, die Anpassung verläuft aus meiner Perspektive relativ fließend. S. macht sofort den Maximaltest und trägt seine Tanukis 12-14 Stunden im Büro, wo er stehend arbeitet. Auch er meint: Man merkt, dass sich da was anpasst, aber das geht unterm Strich alles sehr angenehm vonstatten. Nur, dass man nicht mehr so doll auftreten muss und darf (sonst tut es weh), daran musste er sich erst gewöhnen.
Regen, Schmutz und Tragen ohne Socken
Nachdem wir die Eingewöhnungsphase hinter uns gelassen haben, beschließe ich, meine Tanuki Nijis ein bisschen herauszufordern – schließlich möchte ich im Idealfall ja wirklich umfassend mit ihnen unterwegs sein.
Ich laufe also – abgesehen von den üblichen Routen durch Städte und zum Einkaufen (mit Mindestabstand und allen vorgeschriebenen Hygieneregeln) durch Wälder, über Felder und Wiesen…probiere also unterschiedliche Bodenbeschaffenheiten und Staub- bzw. Dreckkonzentrationen aus und schaue, wie wir so zurechtkommen, die Wildlinge und ich.


Schmutz und Staub
Eine der häufigsten Fragen, die ich bezüglich der weißen Minimalschuhe gestellt bekommen habe: Wie schnell werden sie schmutzig? Und bekommt man sie gut wieder sauber?
Natürlich ist klar, dass man Schmutzpartikel auf weißem Stoff schneller und besser sieht als beispielsweise auf türkisem, braunem oder schwarzem Stoff. Dennoch verhält es sich nicht so, dass der Tanuki Niji Schmutz besonders anziehen oder überdurchschnittlich schnell dreckig werden würde (ich habe noch 3 andere Paar weiße Sneaker und die Durchschnittsverdreckungsgeschwindigkeit ist ungefähr bei allen dieselbe). Nach ein paar Runden durch den Wald oder über staubige Feldwege bleibt das ein oder andere Krümelchen Erde naturgemäß hängen und es bildet sich über die Zeit eine leichte beige Staubschicht über dem Washi-Material.
Um die Minimalschuhe zu reinigen, empfiehlt Wilding:
Trocknen lassen und ausklopfen, vorsichtig bürsten und mit einem feuchten Tuch reinigen.
Ich habe mich bisher an die obige Reinigungsempfehlung von Wildling gehalten und zusätzlich, als die Tanukis nach einem Spaziergang im Regen ganz besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden, kalt abgeduscht und vorsichtig den Schmutz abgeschrubbt, die Schuhe mit Papier ausgestopft und trocknen lassen.
Mittlerweile sehen meine Wildlinge nicht mehr so perlweiß aus wie direkt aus dem Karton, sondern sind mit einem minimalen Grauschleier überzogen – aber das ist eine Entwicklung, mit der man rechnen muss, wenn man weiße Schuhe mit in den Wald nimmt.


Regen und nasse Füße
Wie schon angedeutet: Die Tanukis sind nicht wasserdicht. Im Regen mit ihnen spazieren zu gehen, ist also auch nur eine mittelgute Idee. (Zu meiner Verteidigung: Ich wurde vom Wolkenbruch überrascht.)
Die Kehrseite: Mit den Tanukis kann man im Sommer prima durch Wasser laufen und sich so Kühlung verschaffen – und das Washi-Material trocknet wirklich sehr schnell, sodass es auch nicht so zügig zu unangenehmen Gerüchen kommt.
Die Tanuki Modelle müssen daher auch nicht imprägniert werden – andere Wildling-Modelle sollten vor dem ersten Tragen entsprechend behandelt werden. Nähere Informationen, welche Modelle jeweils welche Pflege benötigen, gibt es immer auf der entsprechenden Produktseite im Wildling-Onlineshop.
Barfußlaufen und Geruch
Anders, als häufig vermutet wird, muss man Wildlinge nicht unbedingt barfuß tragen. Die Minimalschuhe kann man sehr gut mit Socken oder Strumpfhosen oder anderen textilen Fußbekleidungen zwischen Haut und Sohle tragen – aber sie eignen sich auch wunderbar (vor allem im Sommer) für das Barfußtragen.
Die Tanukis sind auch hier wieder die Modelle, bei denen das noch ausgezeichneter geht als bei den anderen – denn der Washi-Stoff verfügt über eine antibakterielle Wirkung und ist (wie eben besprochen) sehr wasser- und luftdurchlässig, was die Bildung von Gerüchen auch beim Barfußtragen reduziert. Ein perfekter Sommerschuh, anders kann man es nicht sagen.
Ich habe denn auch relativ schnell damit begonnen, die Wildlinge barfuß zu tragen und hatte erst Sorge, dass ich Nähte oder Materialteile spüren oder mir irgendwas wundscheuern würde – nichts davon ist eingetreten. Die Tanukis sitzen so bequem, dass man schnell vergisst, dass man barfuß unterwegs ist (und man überhaupt Schuhe an den Füßen hat).




Natürlich kann es trotzdem zur Bildung von Gerüchen kommen – das kommt ein bisschen auf das Individuum und die Umstände, unter der die Schuhe getragen werden, an. (S. hat zum Beispiel über Geruch geklagt, bei mir ist das bisher nicht aufgetreten.)
- über Nacht einen Teebeutel mit Minze hineinlegen
- Zimt hineinstreuen (am nächsten Tag ausklopfen)
- Backpulver mit ätherischem Öl mischen (z.B. Lavendel) und im Schuh verteilen, am nächsten Tag ausklopfen
- Kaffeepulver einstreuen und am nächsten Tag ausklopfen
- waschbare Einlegesohlen kaufen
- effektive Mikroorganismen nutzen
- die Schuhe über Nacht ins Gefrierfach legen
- mehr Tipps gibt es hier


Zwischenfazit nach 2 Monaten Tragen von Wildling-Minimalschuhen:
Ich muss sagen: Ich möchte meine Wildlinge nicht mehr hergeben und denke bereits darüber nach, welche Modelle ich als Backup / zweites Paar bestellen möchte. S. geht es genauso.
Da Wildlinge allerdings als Allrounder angelegt sind, braucht man nicht für jede Wetterlage einen separaten Schuh und kann viele Modelle auch das ganze Jahr (mit den richtigen Einlagen oder dicken Socken) verwenden. Das kommt ganz auf das individuelle Gusto an – doch auch hier gibt es die Möglichkeit das Weniger statt dem Mehr zu wählen.
Entgegen der vielleicht ersten Bedenken, was das Design angeht (und ich bin ganz ehrlich: ich finde nicht jedes Modell ästhetisch, aber insgesamt wird das Sortiment immer schöner) und der Vielleicht-übertreiben-die-Anderen-ja-Einschätzung ist es doch so, dass ich mich schneller in die Wildlinge verguckt habe, als ich das für möglich gehalten hätte. Und noch schneller in das neue Laufgefühl hereingefunden – das ist wohl der passendste Ausdruck dafür.
Und meine Tanuki Nijis sind unfassbar schön. Finde ich.
Wie gesagt: Wenn ich jetzt andere Sneaker anziehe, fühlen die sich sehr grob und schwer an den Füßen an und man merkt den Fremdkörpercharakter deutlich, während sich Wildlinge so anfühlen, als gehörten sie gewissermaßen organisch zum Körper dazu. Klingt cheesy, ist aber (für mich jedenfalls) so.
Es läuft sich im – wahrsten Sinn des Wortes – unbeschwerter in Wildlingen.
Um es kurz zu machen und falls das im Laufe des Artikels noch nicht deutlich geworden ist: Ich bin sehr begeistert.
Der Vollständigkeit halber muss ich aber auch sagen, dass ich meine anderen Schuhe weiterhin (ich liebe sie ja doch alle sehr) und nicht von heute auf morgen zu 100% Wildlinge tragen werde. Obwohl sich der Gedanke nun gar nicht mehr so fremd anfühlt und ich mich in den Minimalschuhen sehr zuhause fühle.
Wer mehr über die Gründerin dieser wirklich empfehlenswerten Marke lesen mag, ich bin letztes Jahr mit ihr gewandert und finde: Auch das Unternehmen macht einen Unterschied: https://www.ohfamoos.com/2020/05/ein-schuh-wie-eine-zweite-haut/ Danke für die Erinnerung, dass ich mir auch endlich Wildlinge zulege…
Liebe Grüße, Elke
Ich liebe die Wildlinge auch sehr und habe mittlerweile 5 Paar. Ich habe sehr ausgedehnte Wanderungen mit den Schuhen gemacht und hatte zwischenzeitlich sehr starke Schmerzen in der Ferse. Leider wurde mir bis jetzt keine genaue Diagnose gestellt und ich habe eine Zeitlang auf die Wildlinge verzichtet. Mittlerweile trage ich sie wieder und mag sie immer noch. Besonders toll finde ich es im Sommer mit den Schuhen durch den Bach zu laufen und auch beim Kanu fahren oder Stand up paddeling kann man sie super tragen. Schade finde ich, dass es im Winter so wenig vegane Modelle gibt. Zur Haltbarkeit kann ich sagen, dass das Zwischenteil an der Sohle nach einer Zeit kaputt geht, aber man kann die Schuhe trotzdem weiterhin tragen und die Sohle kann man wieder festkleben. Bei mir halten die Schuhe genauso lange wie andere Sneaker. Liebe Grüße, Daniela
Lies mal über die Symptome von Plantar Fasciitis nach. Vielleicht passen die zu Deinem Problem.
Hey Martin,
danke für den Hinweis, aber das passt leider nicht zu meinen Problemen. 🙂
Liebe Grüße
Jenni