Endlich, endlich kommt er, der zweite Teil des Türkei-Reiseberichts, auf den ihr nun schon so lange warten musstet. Ich würde gerne posaunen, das Warten habe sich gelohnt, aber so anmaßend möchte ich nicht sein. Stattedessen verspreche ich euch, dass jetzt viele, viele Bilder auf euch warten werden (im ersten Teil habe ich euch ja schon gestanden, dass ich andauernd an der Linse geklebt habe). Auf ein bisschen Sommerfeeling im kalt-nassen Grau von Zuhause!
Wir erkunden die Gegend: zu Fuß in Yumurtalik
Nachdem wir in der Sommerunterkunft von Serdars Eltern angekommen waren und den ersten Marktbesuch hinter uns gebracht hatten, haben wir die nächsten Tage damit verbracht, Routen zu planen und Sehenswürdigkeiten auf schlecht maßstabsungetreu abgezeichneten Karten zu markieren; auf dass unsere Tag vollgestopft werden würden mit Aktivität und möglichst wenig Raum für Langeweile erzeugendes Nichtstun (und familiäres Aufeinanderhocken) bliebe.
Ganz oben auf der Liste stand – weil am leichtesten umsetzbar und weil meine Neugier auf das Fischerdorf, in dem Serdars Eltern so lange gelebt haben und die bessere Hälfte selbst die halbe Kindheit verbracht hat, so groß war – ein Besuch in Yumurtalik. Das liegt direkt an der Küste und hat daher lange Jahre vom Fischfang gelebt. Mittlerweile ist davon nicht mehr viel übrig geblieben – aber das entsprechende Colorit haftet dem kleinen Hafen immer noch an.
Unten im Dorf waren wir während unseres knapp zweiwöchtigen Aufenthaltes dann doch mehrfach – und zum Erstaunen aller sind wir auch bei der größten Mittagshitze dort zu Fuß hinuntergelaufen. Wahrscheinlich hat uns das niemand so ins Gesicht gesagt, aber letzten Endes haben sie uns sicher kollektiv für verrückt erklärt, bei knappen 40°C einen halbstündigen Spaziergang unter der prallen Sonne zurückzulegen.
Ich muss gestehen: An den ersten Tagen unserer regelmäßigen Wanderungen habe ich das selbst auch geglaubt. Nachdem ich mich dann nach ein paar Tagen einigermaßen akklimatisiert hatte, bin ich zumindest nicht mehr nach jedem Schritt zerflossen. Immerhin. Schweißtreibend und dementsprechend extrem anstrengend waren die Märsche trotzdem. Und langsam-bedächtiges Gehen entwickelte sich bei mir zu einer neuen Königsdisziplin.
Siesta oder Ähnliches war bei uns allerdings keine Option – ich wollte gehend die Gegend erkunden. Denn so kann man das Tempo selbst bestimmen – auch wenn das schneckenartige Vorbewegungsweise bedeutet. Oder gerade deshalb. Das Letzte, woran ich mich später zuhause zurückerinnern wollte, wäre ein Urlaub voller Hetze und Terminen gewesen. Das Zweitletzte, untätig herumgesessen zu haben. Wanderungen boten einen für uns beide sehr attraktiven Kompromiss.
Yumurtalik ist ein kleines Dorf. So eines von denen, in dem sich jeder kennt und Touristen unverschämt auffallen – weil es nämlich fast keine gibt. Gleichzeitig ist gerade das, was es zu einem perfekten Reiseziel für jemanden macht, der keine Lust auf Blingbling und Inszenierungen hat: Hier wird nichts extra für “westliche” Standards herausgeputzt, keine falsche Eilfertigkeit oder ein künstliches Lächeln aufgesetzt. Hier sind die Menschen, wie sie halt sind: Freundlich, offen, redselig, aber auch neuierig, beobachtend, wartend.
Da sieht man dann mitten am hellichten Tag auch mal eine Kakerlake über die Straße huschen. Oder vor der Bäckerei verweilen (da haben wir dann selbstredend nicht eingekauft). Da stehen ramschverdächtige Gegenstände in der Ecke herum und niemand scheint sich drum zu scheren, geschweige denn, dass irgendwer die Verantwortung dafür zu übernehmen gedächte. Das gehört ebenso zum Straßenbild wie rissiger Asphalt und handtellergroße Löcher auf dem Gehweg.
Vorsicht, Loch! Nicht, dass du gleich in die Kanalisation fällst hier.
Und – natürlich – überall Essen. An jeder Straßenecke. Am auffälligsten waren auch hier wieder die allgegenwärtigen Melonen-Pickups, in die ich mich bereits beim ersten Anblick hoffnungslos verknallt hatte. Doch generell essen die Menschen in Yumurtalik gerne – auf der Hauptstraße (die gleichzeitig auch die einzige richtige Straße ist, die es überhaupt in dem Ort gibt) reihen sich Döner-Buden an Restaurants mit unterschiedlichster Speisekarte – und überall: Fleisch, Fleisch, Fleisch.
Die Reaktion, wenn wir dann über verschiedene Euphemismen kommunizierten, dass wir kein Tier äßen (nein, auch keine Milch, keinen Käse und keine Eier) waren dementsprechend filmstudioreif, der darauf folgende Fragenhagel katalogwürdig. Geduldig erklärten wir alles auf’s Neue, jedes Mal, und wiederum jedes Mal kamen unse Gesprächspartner*innen zu dem Schluss, dass das ja ganz nett sei, was wir da täten – aber für ihn/sie ginge das gar nicht. Könne man sich nicht vorstellen. Anhand der Omnipräsenz von Fleischwaren in dieser Gegend kann ich das sogar sehr gut nachvollziehen.
Was mir Serdar allerdings (genauso wie seine Eltern und anderen Verwandten) erklärte, war, dass man hier noch entweder selbst schlachtet oder zu einem altbekannten Schlachter geht (dessen Geschäft meist in soundsovielter Generation in Familienbesitz ist) und dort ein auserwähltes Tier schlachten lässt, dass man dann großzügig in der Verwandtschaft unter sich aufteilt und von dem dann alles verwertet wird. Da habe ich Respekt vor, auch wenn es den Akt des Lebennehmens für mich natürlich nicht weniger grausam macht.
Gerade, weil in Yumurtalik (und auch sonst in den Ortschaften in der Umgebung) nichts für Touristen herausgeputzt ist, wird man mit den schönen Dingen konfrontiert, die solche Gegenden hoffnungslos pittoresk wirken lassen – aber eben auch genauso mit den weniger schönen Zeugnissen und Hinterlassenschaften menschlicher Existenz. Plastik war ein durchgehendes Thema in unserem Urlaub – man hat es überall gefunden, auf Schritt und Tritt. Niemanden schienen die Müllberge, die ganze Parkanlagen verunstalteten, unter Gestrüpp am Strand sich auftürmten oder munter in den Wellen am Hafen schaukelten, zu stören.
Ja, das ist hier halt so. Das machen halt alle – das Wegwerfen. Da kannste nicht gegen an.
Und ich schwankte jeden Tag zwischen absoluter Verständnislosigkeit (Wie kann man so wenig Verantwortung für den eigenen Lebensraum empfinden?) Wut (Menschenskinna, ihr könnt doch wenigstens eure drei Teile da wegräumen! So schwer ist das doch nicht!) und Verzweiflung (Wie soll man das denn alles jemals wieder aufräumen können? Wieviel ist schon in der Umwelt gelandet? Wie bekommt man es da wieder heraus?). Allein dieses Thema: ein Wechselbad der Gefühle.
Manchmal haben wir Dinge aufgehoben und betont langsam-demonstrativ in einen nahestehenden Mülleimer fallen lassen, in der Hoffnung, vielleicht doch jemanden um uns herum gehabt zu haben der oder die nicht nur schauen, sondern auch reflektieren kann und will. Doch die meisten Menschen, mit denen wir darüber sprachen (Bekannte, Familienangehörige, Fremde) standen der Thematik mehr oder weniger gleichgültig gegenüber. Die allgemeine Einstellung: Irgendwer wird sich schon kümmern.
Pflanzenliebe: der Garten der Moschee
Auf der anderen Seite empfand ich die Menschen dort als ungemein naturliebend. Überall wuchsen Pflanzen – in wirklich jeder freien Ritze, die sich irgendwie dafür anbot. Plastikkübel von Tomatenmark-Vorräten oder Olivenölgläser wurden als Pflanzentöpfe recyclet und kein, aber auch wirklich kein, Haushalt kam ohne eine Armada an selbstgezüchteten Grünpflanzen (die meisten sogar mit kulinarischem Extra) aus.
Auch die öffentlichen Räume: voll mit Pflanzen. Mein Herz hüpfte höher in dieser grünen Umgebung.
Der Garten einer der örtlichen Moscheen wurde natürlich mit besonders viel Hingabe gepflegt – die Blumenpracht war vielfältig, das Grün hervorragend satt. Und willkommen schattenspendend. Wie viel Wasser die Wartung der Anlage allerdings verbraucht, habe ich mir nicht auszumalen gewagt.
Brückenschau: Reise zur Varda Köprü
Ganz unbedingt anschauen wollten wir uns als nächstes die einigermaßen legendären (wenn auch weniger imposanten) Brücken, die es in der Umgebung zu sehen gab und die in vielen Fällen Zeugnisse der langen deutsch-türkischen Geschichte sind, wurden sie doch von den Deutschen damals (meint: nach dem Ersten Weltkrieg) für die türkischen Verbündeten erbaut.
An einem Tag haben wir naturgemäß nicht alle geschafft (auch im gesamten Urlaub nicht, übrigens) – aber dennoch konnten wir immerhin zwei dieser Sehenswürdigkeiten im Laufe der Zeit besichtigen, von denen ich die zweite (die Varda Köprü – oder auch: Alman Köprü) wesentlich deutlicher im Gedächtnis behalten habe.
Die kleine Brücke, die wir als Zwischenstopp auf einer Autofahrt kurz besichtigten (und deren Namen ich schon wieder vergessen habe), war auch hübsch und wohl ebenfalls ein paar Jahre alt, konnte mich aber nicht so sehr fesseln wie das meterhohe Kunstwerk, das wir einige Tage später im letzten abgelegenen Winkel in Adanas Provinz finden sollten.
Die Autofahrt dorthin dauerte mindestens drei Stunden und führte uns durch Canyons, über trocken-steppenähnliches Grasland und gewundene Pisten, von denen manche nicht einmal asphaltiert waren. Ich erlitt meinen zweiten (oder dritten) Kulturschock und als sogar Serdars Eltern (die in dieser Gegend aufgewachsen sind und sie eigentlich wie ihre Westentasche kennen müssten) die Einheimischen kleiner Siedlungen immer mal wieder nach dem Weg fragen mussten, wurde mir bewusst, dass wir wirklich am Ende der Welt angekommen waren. Immerhin gab es Handy-Empfang.
Und diese Aussicht! Ein Traum. So viel Grün, so viel Natur, so viel Unberechenbarkeit hinter jeder Ecke. Dafür hatten sich die Strapazen auf jeden Fall gelohnt. Als wir zwischen den Canyony standen bzw. die Aussicht über so viele Baumwipfel genossen, war uns ein bisschen, als wären hier schon sehr lange keine Menschen mehr gewesen. Die Brücke übrigens ist eine für den Zugverkehr und wird tatsächlich noch immer genutzt – hauptsächlich für schwer beladene Güterzüge.
Vom Moscheen und heiligen Höhlen
Ein weiterer Tagesausflug führte uns zu einer Moschee mit einer angegliederten kleinen Höhle dahinter, in der der Legende nach eine verfolgte siebenköpfige Familie Unterschlupf für die Nacht gesucht hat und ein paar Jahrhunderte später (als ihre Verfolger schon lange tot waren) wieder aufgewacht ist und sich des neuen Lebens erfreuen konnte.
Die Höhle selbst war demnach ein heiliger Ort und wir beobachteten viele Menschen, die die nassen Steinwände küssten und vor einem kleinen abgegrenzten Podest, das die Schlafstelle der erwähnten Familie repräsentieren sollte, beteten. Wir versuchten, weiter in die Höhle vorzudringen, mussten aber schnell feststellen, dass unsere sommerliche Bekleidung (inklusive einigermaßen rutschfreudiger Sandalen) eine denkbar schlechte Ausstattung dafür darstellte und gaben das Herumwinden und -krackseln durch enge Röhren und Verzweigungen schnell auf.
In die Moschee hinein sind wir nicht gegangen – dafür haben wir uns sehr lange im Schatten der wunderschönen Bäume (auch hier wieder: akute Pflanzenliebe!) ausgeruht und sind mit den anderen Menschen dort ins Gespräch gekommen. Es ist erstaunlich, wie kommunikativ alle sind, sobald man ein kollektives Leid (die unerträgliche Hitze) teilt und nicht in Massenstädten unterwegs ist: Wir haben Touristinnen aus Istanbul kennengelernt, mit einer Familienmutter über ihre Kinder und dem Hofaufseher, der sich auch um den Garten der Moschee kümmert, über Straßenhunde (die gibt es hier auch an jeder Ecke, aber sie werden geduldet und häufig adoptiert) gesprochen.
Auf das Thema kamen wir übrigens, weil unter der Bank, auf der wir ausruhten, gerade ein besonders schöner Hund lag und in der Mittagssonne vor sich hindöste.
Den (und gefühlt einhundert andere) hätte ich auch liebend gerne adoptiert und mit nach Hause genommen. Leider geht das nicht so einfach wie man sich das gerne vorstellen würde und wir mussten schweren Herzens viele tolle Vierbeiner auf den sandigen Straßen Anatoliens zurücklassen.
Let’s get abenteuerlustig!
Was wir auf jedenjedenjeden Fall für unsere nächste Reise in die anatolische Region einpacken werden? Wanderschuhe. Funktionsklamotten. Obwohl wir einigermaßen minimalistisch gepackt hatten (ihr erinnert euch), haben wir fast nichts vermisst. Diese Gegenstände allerdings schon.
Denn in Anatolien stehen so viele schöne und wunderbar alte Gemäuer und Burgen herum, die nur einer füßgängerischen Eroberung harren, dass es eine Schande war, dass wir jedes Mal auf dem halben Weg umkehren mussten, weil die Straßen für unser Schuhwerk zu unbefestigt waren.
Anders als in anderen touristisch erschlosseneren Gebieten wurden die Bauten hier einfach ihrem Schicksal überlassen: Niemand interessierte sich für sie.
Und schon gar nicht dafür, die Wege zur Spitze der Berge (auf denen Burgen natürgemäß sehr häufig stehen) für Besucher*innen-Füße zu ebnen.
Die Burg, die ihr hier seht, ist die Yilankale – die Schlangenburg. Sie stammt aus dem 11. bis 13. Jahrhundert und hat zeitweise Kreuzfahrern als Unterkunft gedient.
Und wie das hier fast überall so ist, spiegelt sich auch in diesem Namen eine ortstypische Legende wider: Erbauer der Burg soll niemand anderer als der legendäre Schlangenmensch Meran gewesen sein, um den sich viele Geschichten in dieser Region ranken. Historischer Fakt ist allerdings, dass König Leo II. diese Brug mit ihren dicken Mauern, die heute noch in verblüffender Beinahe-Vollständigkeit erhalten sind, in Auftrag gab.
Rund um die Burg: Geröll, noch mehr Geröll und erstickend heiße Temperaturen. Wir haben nach dem Urlaub erfahren, dass wir von der falschen Seite der Burg den Aufstieg gewagt haben (das nächste Mal lesen wir vermutlich die einschlägigen Touristen-Portal-Rezensionen vor der Exkursion), aber Spaß hat es trotzdem gemacht.
Auf unseren Touren durch Anatolien kamen wir immer mal wieder an Überresten von sehr alten Mauern vorbei – und manchmal, da konnten wir es nicht lassen, sind ausgestiegen, haben uns alles angesehen und fotografiert wie die Weltmeister*innen.
Informationen gab es zu den zweifellos sehr alten Mauern wenig bis gar keine – sie waren einfach stumme Zeugen längst vergangener Zeiten. Und wenn wir uns ausmalten, was damals wohl alles hier passiert sein könnte, war das immer sehr aufregend. Vielleicht ist es manchmal ganz gut, nicht alles zu wissen.
Indiana-Jones-Feeling auf der Ausgrabungsstätte
Und eigentlich wollten wir uns noch mindestens eine weitere Burg anschauen. Das haben wir zum einen aus Zeitrgründen nicht mehr geschafft – und zum anderen lag Burg Nummer 2, die eigentlich prädestiniert gewesen wäre, da sie direkt auf unserer Fahrroute lag, dann doch irgendwie noch eine weitere Autostunde entfernt. Und da wir nicht allein, sondern stets mit Serdars Eltern unterwegs waren, wollten wir dann doch ein wenig Rücksicht nehmen und die beiden nicht bei 40°C einen weiteren Berg hinaufscheuchen.
Doch manchmal spielt das Leben einem in die Hände – und als wir gerade durch das hinterste, verlassendste Dorf von Anatolien fuhren und dort genau einen Menschen antrafen, der sich gerade die Mittagszeit auf einem von Bäumen umsäumten kleinen Platz vertrieb, sahen wir (noch in der Unterhaltung befindlich) ein kleines, unauffälliges Schilld, das “Ausgrabungsstätte” ankündigte. Direkt neben dem Platz, auf dem wir standen.
Serdar und ich sahen uns an – und stiefelten los.
Wir stolperten direkt in eine scheinbar noch aktiv beackerte Stätte hinein, die unzweifelhaft eine perfekte Hollywood-Kulisse abgegeben hätte. Zunächst waren wir verschreckt: Mein Gott, da stehen ja noch Zelte und Planen und alles! Dürfen wir da jetzt einfach so…? Schlussendlich siegte die Neugier – und obwohl kein Mensch in Sicht war, war uns natürlich klar, dass wir beobachten wurden. In solchen Dörfern haben die Wände Augen – überall auf der Welt.
Während wir über Säulenreste und Dinge stolperten, die laut dem einzigen Informationsschild, das auffindbar war, mindestens seit Augustus’ Zeiten hier standen (denn der hat diesem Ort seinen Namen gegeben, weil er ihn – so die Überlieferung – eines Tages auf einem Durchritt gefunden und für so unglaublich schön gehalten hat, dass er ihm seinen Namen aufgedrückt hat), überkam mich das wohlig-kirbblige Gefühl, das man nur hat, wenn man an unbekannte, verlassene Orte geht.
Ich kam mir ein bisschen wie die Archäologin vor, die ich in meinen Kindheitsträumen immer gewesen war.
Wir brauchten eine Weile, bis uns klar wurde, dass wir mitten auf einer Straße standen, die sich bis zum Horizont erstreckt haben musste und ringsum sicherlich von prächtigen Bauten umgeben worden war. Und wir bedauerten, das wir zum einen nicht an diesem spannenden Ausgrabungs-Projekt teilhaben konnten und zum anderen, dass gerade dieses scheinbar vergessen und halbfertig begonnen hier im Staub sein weiteres Dasein fristete.
Besonders skurril: Irgendwann drehte ich mich um und sah eine Herde Kühe auf mich zukommen. Stoischen Blickes stampften sie zielsicher über Hürden, Schlaglöcher und große wie kleine Steinchen und liefen in vorbildlichstem Entenmarsch hintereinander her, um sich schließlich auf einer kleinen Anhöhe zu versammeln. Ohne, dass jemand dabeigewesen wäre, der sie angetrieben oder ihnen die Richtung dirigiert hätte. Diese Tiere waren hier zuhause und brauchten keine Anweisungen – wenn es für mich einigermaßen freie Kühe gibt, dann sind es sicherlich diese.
Weiterbildung: Hethiter und wunderschöne Kunstwerke
Als letztes möchte ich euch noch auf einen Besuch ins hethitische Museum mitnehmen. Davon hatten wir durch Zufall von Serdars Verwadten erfahren und waren sofort Feuer und Flamme: Das mussten wir sehen!
Die Hethiter herrschten im 2. Jahrtausend vor Christus über weite Gebiete Kleinasiens und waren den Großmächten zu jener Zeit (unter anderem den Ägyptern) nicht nur wichtige Verhandlungs-, sondern auch ernstzunehmende Kriegespartner.
Das Muesum selbst bestand unter anderem aus einem kleinen Häuschen, in dem die kleinen Dinge, die man vom diesem Königreich in Ausgrabungsstätten in der Nähe gefunden hatte, ausgestellt wurden – unter anderem Gegenstände des alltäglichen Lebens, aber auch Götterfiguren, Schmuck und andere Kostbarkeiten. Aus Rücksicht habn wir hier nicht fotografiert – der Anblick der mit vielen rätselhaften Schriftzeichen bedeckten Steintafeln allerdings war einer, der uns sehr berührt hat.
Der Rest des Museums war über eine weitläufige Anlage mit viel Grün (wie sollte es hier auch anders sein?) verteilt und glich dem, was wir als Freiluftmuesum kennen. Allerdings mit dem nenenswerten Unterschied, dass es auch hier keinerlei Informationen zum Ausgestellten hab und man sich die Dinge, die man sah, aufgrund von Vorwissen zusammenreimen musste. Da ich eine lang gepflegte Leidenschaft für Altertümliches habe, gelang es mir, zumindest einige Zusammenhänge zu erkennen und uns selbst-unterrichtend an den Tafeln vorbeizuführen.
Dargestellt waren vor allem alte Götter und Alltagsszenen (Jagd, Fischen, Verkäufe auf dem Markt) sowie Kriesgsszenen. Die Bilder erinnerten nicht von der Situation, sondern auch vom Stil her verdächtig an bekannte ägyptische Äquivalente – was an sich ja nicht verwunderlich ist, da beide Kulturen einen mehr oder weniger intensiven Austausch pflegten.
Wir haben diesen Auflug sehr genossen – vor allem, weil wir dort einen Kunsthandwerker getroffen haben, bei dem wir das einzige Souvenier unserer Reise gekauft haben: Zwei handgefertigte Schöpflöffel aus schönstem Olivenholz. Der Mann hatte noch ganz andere Schätze in seinem Mini-Lädchen und bevor wir kauften, demonstrierte er uns noch einmal bereitwillig, wie er an seinem aktuellen Stück arbeitete. Nichts als eine Matte und ein paar Werkzeuge, um die wunderschönsten Gefäße zu erschaffen.
Fazit: Ein Urlaub abseits von der Masse
Schon während des Urlaubs bin ich andauernd von den Einheimischen gefragt worden, wie es mir hier gefalle. Ob ich es schön fände? Ob ich wiederkommen würde?
Die Menschen wissen, dass sie nicht viel besitzen und auch, dass die Gegend massentouristisch-mäßig wenig bis gar nicht erschlossen ist und dass hier eigentlich nur Türk*innen Urlaub machen. Umso schöner waren diese Tage mit ihren Erlebnissen für mich. Sie waren authentisch, echt. Nicht herausgeputzt für meinen wie auch immer definierten “westlichen Geschmack”, nicht schöngemacht, weder die Menschen noch die Gegend noch das, was in dieser Gegend herumstand. Einfach, wie es immer ist. Und das ist, was dich in den Bann schlagen kann, wenn du woanders bist und versuchst, eine andere Kultur wenigstens vom Ansatz her zu begreifen.
Die Menschen mit ihrer Wärme sind etwas, das das Herz sofort erobern kann. Das und das Glück, das sie beim alltäglichen Leben empfinden, obwohl es uns verwöhnten Individuen so vorkommt, als müssten sie aufgrund ihrer Armut traurig-niedergeschlagen durchs Leben wandeln. Das ist hier höchst selten der Fall – vielleicht auch aufgrund der starken sozialen Bindungen, die ein wirkungsvoller Kitt für alles sind.
Komme ich wieder? Bestimmt.
Liebe Jenni,
ach ich hab so einiges hier verpasst, shame on me…
Danke für diesen wunderbaren Reisebericht, es hat großen Spaß gemacht, ihn zu lesen, die Fotos sind mal wieder traumhaft schön – da wird die Reiselust geweckt! Wirklich sehr interessant. Das mit dem Plastikmüll kann ich auch so gar nicht nachvollziehen, einfach nur traurig, dass das so viele Menschen offenbar schlichtweg egal ist (kenne das auch aus Spanien-Urlauben).
Ich komme gerade aus London, bin noch total in love … und hoffe, asap auch einen Reisebericht verfassen zu können.
Ich wünsche Dir einen schönen Tag,
liebe Grüße
Sharon 🙂
Liebe Sharon,
ich danke dir für deinen Kommentar – und es ist absolut kein Problem, dass du eine Weile nicht hier warst. 😉
Das kann ich für mich auch von so vielen tollen Blogs mittlerweile sagen, zu denen ich im Moment gar nicht so komme wie ich gerne würde….
Die Sache mit dem Müll ist in der Tat eine, die wirklich problematisch ist und uns viel zu denken gegeben hat. Wir sind hier schon einigermaßen verwöhnt, weil wir zwar auch Unmengen produzieren, das aber meistens sofort hinter uns weggeräumt wird. Wenn das mal nicht passiert, sieht man erst, was für ein großes Desaster das eigentlich ist…
Aufeinen London-Bericht wäre ich auch sehr gespannt! 🙂
Liebe Grüße
Jenni
[…] Erlebnisse Kosmetik & Fashion Wohnen Zero Waste & Minimalismus All […]
Liebe Jenni, so ein schöner zweiter Teil. Das helle Sonnenlicht und die staubigen Straßen machen einem richtig warm ums Herz. Toll, dass ihr durch Serdars Familie so eine untouristische Ecke kennenlernen und erkunden konntet. Deine Gefühle wegem dem Plastik habe ich 1:1 während meines Marokko.-Urlaubs auch so empfunden – und genauso, dass die Menschen dort in jedes Eimerchen und Töpfchen gefühlt eine Pflanze stecken und es tausend Blüten und Blätter in den Orten gibt.
Liebe Thea,
ich freue mich, dass dir der Beitrag so gut gefallen hat und kann absolut unterschreiben, dass es ein absoluter Glücksfall war, in so eine touristisch bisher noch weitgehend unerschlossene Gegend zu kommen. Das hat dem Ganzen viel Entschleunigung und Ursprünglichkeit gegeben, was ich sehr schätze.
In Marokko war ich leider bisher noch nicht – aber deine Reiseberichte haben mir auf jeden Fall sehr viel Lust darauf gemacht, muss ich sagen. Dass die Sache mit dem Plastik beinahe überall so ist, finde ich total schade und hoffe, dass sich da ganz bald etwas ändern wird, inbesondere in den Köpfen der Menschen…
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
nach dem Lesen des Artikels fühle ich mich als käme ich frisch aus dem Urlaub.
Danke für den Kurztripp 🙂
Liebe Grüße Ottilie
Liebe Ottilie,
das freut mich sehr – dann haben wir doch genau das Richtige erreicht damit!
Genau so soll das sein! 🙂
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
genial. Bin richtig versunken in deinen Reisebericht. So eine Reise fern weg vom Massentourismus macht doch wirklich am meisten Spaß. Man entdeckt Dinge, die sonst kaum jemand sieht. Und als Tourist hat man noch mal eine ganz andere Wahrnehmung als Einheimische.
Und ich kann das so gut nach voll ziehen, dass ihr da an jeder Burg und Ausgrabung stehen bleibt (oder stehen bleiben wollt). Ich bin da auch immer gleich die erste, die jede Burg besteigen möchte! 😉
Die ganzen Fotos sind übrigens unglaublich schön, geben ein echtes Gefühl für die Region.
Alles Liebe,
Mira
Liebe Mira,
ich danke dir für deine liebe Rückmeldung und freue mich, dass dir der Artikel samt Bildmaterial so gut gefällt.
Gerade die Routen weg vom Massentourismus sind wirklich immer die spannendsten Wege und ich hoffe, wir werden derer noch viele weitere auf anderen Urlauben finden. 🙂
Obwohl ich gestehen muss, dass solche Kultstätten wie Rom und andere große Städte auch noch auf unserer Liste stehen – einfach, weil man sie mal gesehen haben muss. 😉
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
oh wie schön! Ich habe großes Fernweh jetzt, und zu 40 Grad würde ich bei meinen aktuell sehr kalten Füßen auch nicht nein sagen ^^ Was für fantastische Burgen es in der Türkei gibt, das wusste ich gar nicht! Ich kann gut nachvollziehen, dass ihr das Reisen abseits der Touristentrampelpfade sehr genossen habt, ich finde es auch immer am schönsten, wenn man ein wenig mit Einheimischen ins Gespräch kommt, dann habe ich erst richtig das Gefühl, im Land angekommen zu sein.
Vielen Dank für deinen Bericht und die vielen stimmungsvollen Fotos!
Liebe Grüße,
Elisabeth
Liebe Elisabeth,
die Sache mit den kalten Füßen kann ich dir so gut nachfühlen! Mir geht das jetzt auch regelmäßig so und dann sehne ich doch ein bisschen die warmen Temperaturen zurück – obwohl die ja auch periodenweise dazu geführt haben, dass die Füße gerade nach einer langen Wanderung geglüht haben wie sonstwas. Manchmal habe ich den Eindruck, es gibt nur die Wahl zwischen Arktis und Mordor für die Füße… 😀
Ich freue mich auf jeden Fall sehr, dass der Bericht dich ein wenig mitnehmen und inspirieren konnte – sowohl schriftlich als auch fotografisch. 🙂
Liebe Grüße
Jenni
Huhu Jenni,
erst einmal: Wow! Ich habe alles gelesen, alle Fotos betrachtet und jetzt sitze ich hier mit jeder Menge Fernweh. Ich habe gerade große Lust, fremde Länder zu erkunden, staubige Straßen entlangzuschlendern, alte Gemäuer zu besichtigen und immer wieder ein “Aaah” und “Oooh” von mir zu geben. Man merkt, wie sehr dich dieses Land, diese Region in ihren Bann gezogen hat – gerade durch diese Unaufgeregtheit, das Natürliche, das Unverfälschte.
Ich kann das sehr gut nachvollziehen, denn viele Reisen, die mein Mann und ich gemacht haben, brachten uns mit Einheimischen dieser Länder zusammen und allein das fand ich immer extrem spannend. Auf Pfaden jenseits der bekannten Touri-Ströme wandeln, gemeinsam in wenig vertrauenerweckenen Restaurants essen, in die fremde Kultur eintauchen: Höchst spannend!
Ich freue mich, dass eure Reiserfahrungen noch so lange nachhallen und bin gespannt, wann und ob es dich wieder in die Ferne verschlägt :-).
Liebe Grüße
Bianca
Liebe Bianca,
ich freue mich, dass dir der Artikel so gut gefallen und auch ein bisschen Fernweh ausgelöst hat – denn genau das war ja auch ein wenig die Intention.. 😉
Die Ortschaft und auch die Landschaft waren wirklich umerfend schön und wir haben so viel fotografiert! Gerade das Unverfälschte war wirklich genau das, was mich am meisten beeindruckt hat. Man hat mitbekommen, wie die Menschen leben und teilweise selbst so gelebt – das waren schöne Erfahrungen.
Dass ihr schon so viele Reisen gemacht habt, freut mich sehr für euch und ich beneide es auch ein wenig (auf die positive Art und Weise) , denn uns hat jetzt auf jeden Fall der Entdeckerdrang gepackt. Und wir sind auch schon sehr gespannt, an welche Orte es uns noch so verschlagen wird. Zunächst werden wir wohl aber Ferien in der Heimat machen und die schönen Ecken, die es direkt hier zu erkunden gibt, besuchen. Auch darauf freue ich mich schon sehr und werde euch sicherlich teilhaben lassen. 🙂
Liebe Grüße
Jenni
Jenni, mir wird erst rückblickend so wirklich bewusst, WIE toll meine vielen Reisen waren. Klar, wenn man mittendrin steckt, ist es aufregend und interessant und schön und und und … Doch mit etwas Abstand wird mir klar, welches Glück ich hatte. Ich habe tolle Orte bereist, interessante Menschen kennengelernt und spannende Gepflogenheiten mitbekommen (oft nur ganz kleine Dinge, doch gerade das macht jede Reise so besonders). Ja, mal sehen, wohin es uns als Nächstes verschlägt :-). Ich liebe zurzeit Städtereisen sehr – vielleicht als kleinen Kontrapunkt zu meinem Landleben? Bin gespannt, was es zum Reisethema von dir/euch mal wieder zu lesen gibt :-).
Liebe Grüße
Bianca