Ich liebe Pflanzen, wie unschwer an meiner Küche zu erkennen ist. Gerade während des letzten Jahres im mehr oder weniger monatelang andauernden Lockdown habe ich das Bedürfnis verspürt, meine Ansammlung grüner Freund*innen noch mehr als sonst wachsen zu lassen. Was habe ich auch sonst zu tun, außer den ganzen Tag vor irgendwelchen Bildschirmen zu hängen und zu warten, bis das alles hier endlich vorbei ist?

Pflanzen sind oft nicht nachhaltig

Dabei lande ich – obwohl ich es besser weiß – immer noch ab und zu im Baumarkt und schlendere zwischen hochgezüchteten Exemplaren herum, manchmal kommt auch eine mit. Dabei weiß ich sehr genau, dass sie ziemlich sicher mit Pestiziden behandelt und nicht unter guten Arbeitsbedingungen produziert wurde. Manchmal wird für unsere Sehnsucht nach tropischen Pflanzen sogar Raubbau an Natur in anderen Ländern betrieben. Schön ist das alles nicht – und vor allem: Es ist nicht transparent.

Zwar hat jede Pflanze, die wir auch im Supermarkt oder im Baumarkt erwerben, einen Pflanzenpass, auf dem draufsteht, in welchem Land sie das letzte Mal behandelt wurde – aber die gesamte Lieferkette wird nach wie vor nicht abgebildet. Das ist ein Problem und bedeutet im Klartext: Wenn wir nicht gerade von explizit nachhaltig agierenden Anbietern kaufen, haben wir keine Ahnung, was wir da eigentlich kaufen. Oft wird auch Erde genutzt, die Torf enthält. Das ist nicht besonders klimafreundlich, denn Torf stammt aus Mooren – die wiederum sind wichtige CO2-Senken und wertvolle Ökosysteme, die leider immer noch zu Siedlungszwecken oder eben für den Abbau von Torf trockengelegt werden.

Wie wir es drehen und wenden: Am nachhaltigsten ist es immer noch, Pflanzen zu tauschen, Ableger zu ziehen und sie zu verschenken und sich um die eigenen Pflanzen so gut zu kümmern, dass sie ein möglichst langes Leben haben.

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Von links nach rechts: Basti, Julian, Mike / Copyright: Pflanzenkreisel

Pflanzen tauschen über Pflanzenkreisel

Wer Pflanzen tauschen oder Ableger für kleines Geld erwerben möchte, fand bisher vor allem in Facebook-Gruppen und Ebay Kleinanzeigen entsprechende Anlaufstellen. Dort wird fleißig eingestellt und verkauft, besonders exotische Pflanzen mit Sammler*innen-Wert, die “in groß” sehr teuer sind, finden auch im Ablegerformat viele Interessent*innen. 

Mittlerweile bin ich persönlich so gar nicht mehr auf Facebook unterwegs und so schön Ebay Kleinanzeigen auch sind – irgendwie hat mich bisher gestört, dass es keine einheitliche Plattform für meine Pflanzenjagd gab, auf der ich mich schnell und unkompliziert umschauen konnte. Das hat sich seit Anfang des Jahres geändert: Als ich zum ersten Mal von Pflanzenkreisel gehört habe, hat es keine 24 Stunden gedauert, bis ich meine erste Bestellung in Auftrag gegeben hatte. Nun sitzt hinter meinem Schreibtisch ein prächtiger Alocasia-Ableger und schaut mir beim Schreiben über die Schulter. 

Beim Stöbern durch die mittlerweile schon recht zahlreichen Inserate kam ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Was für Prachtexemplare da verkauft wurden! Wunderschöne Pflanzen, ich musste mich wirklich beherrschen.

Auf Pflanzenkreisel gibt es Zimmerpflanzen (für mich mangels Garten und Balkon am interessantesten), aber auch Gartenpflanzen, Samen und Knollen sowie Zubehör (Töpfe und Erde) und Trockenblumen zum Tauschen oder Kaufen. Manche Stücke werden auch verschenkt. Und natürlich kann ich auch selbst Pflanzen einstellen – Pflanzenkreisel soll als Community funktionieren, wie mir die drei Gründer Basti, Mike und Julian ein paar Tage später über Zoom erklären. 

“Der Austausch unter Nachbar*innen ist unser Ziel”

Ich habe nämlich sofort 3000 Fragen: Wer steckt hinter dem Projekt? Was ist der Antrieb dahinter? Wo soll es mit Pflanzenkreisel langfristig hingehen? Ich frage also nach einem Interview und so sitzen wir uns bald digital gegenüber: Ich und die drei Gründer von Pflanzenkreisel, die allesamt eigentlich aus der IT kommen und sich nun ziemlich spontan einen zweiten 40-Stunden-Job ans Bein gebunden haben, wie sie lachend sagen. 

Denn eigentlich wollte Julian sich zusammen mit seinem Mitbewohner nur eine neue Wohnung einrichten – mitten im ersten Lockdown vergangenen Jahres. Pflanzen sind da ziemlich naheliegend, wenn mensch es schön haben möchte und vor allem: wenn viel mehr Zeit als sonst in den eigenen vier Wänden verbracht wird. Schnell stand die Frage im Raum: Warum gibt es eigentlich keine Plattform, auf der Menschen untereinander Ableger tauschen können?

“Klar, es gibt Ebay Kleinanzeigen – aber wir wollten etwas Pflanzenspezifisches haben. Wir haben gemerkt, dass die Menschen sich in speziellen Foren organisieren und wollten ihnen eine zentrale Plattform bieten. Der Freund, mit dem ich die Idee entwickelt habe, hatte nicht viel Zeit für eine Umsetzung, sodass ich mir Unterstützung gesucht habe. Basti kenne ich von der Arbeit, Mike ist sein Cousin und dann haben wir irgendwann gesagt: Okay, probieren wir das!”

Dann ging alles ganz schnell: Anfang des Jahres das erste gemeinsame Telefonat, ein paar Wochen später stand die Website, noch früher startete der Instagram-Account. “Die ersten anderthalb Monate waren sehr intensiv”, sagt Mike. “Wir haben geschaut, wie wir möglichst schnell eine Plattform mit den Grundfunktionen bieten können, die die Nutzer*innen brauchen, um sich untereinander auszutauschen und unseren Grundgedanken – gemeinsam nachhaltig zu handeln – umzusetzen.”

Denn genau darum geht es den dreien: “Die Leute sollten sich treffen und die Pflanzen nicht dort kaufen, wo sie von irgendwelchen Plantagen stammen und dann einmal um die Welt geschippert wurden. Der Austausch unter den Nachbar*innen ist unser Ziel.” 

Denn bisher sei die Aufmerksamkeit für die problematischen Herstellungsbedingungen unserer grünen Mitbewohner leider noch ziemlich gering – im Gegensatz zu anderen Bereichen des täglichen Lebens, wie beispielsweise dem eigenen Plastikverbrauch oder den Lebensmitteln. Ob die Pflanzen eigentlich regional und bio sind, wird hingegen weniger gefragt. 

Dabei gebe es ja schon alles mögliche Second Hand, meint Mike. Autos, Kleidung und so weiter. Das Gute an einer Pflanze: Sie könne gar nicht “gebraucht” sein, sie wachse nur, das sei alles. “Es gibt keine gebrauchten Pflanzen, sondern nur Pflanzen. Dafür möchten wir die Menschen sensibilisieren.” 

Nachhaltigkeit als Antrieb

Auch privat ist den dreien Nachhaltigkeit ein Anliegen, sagt Basti, der auf seinen Plastikkonsum achtet, auf dem Wochenmarkt einkauft und den Grundgedanken von Pflanzenkreisel zusammenfasst: “Wenn ich den Menschen etwas sagen könnte, dann: Kauft lokal und regional, möglichst privat. Ob das die Eier vom Bauern sind oder die Pflanze bei Pflanzenkreisel.”

Das Prinzip des Marktes müsse wieder stärker genutzt werden, findet er. Daher steht bei Pflanzenkreisel die Community im Zentrum: Es geht darum, eine Plattform zur Verfügung zu stellen, auf der sich dann Menschen miteinander vernetzen könnten, betonen alle drei immer wieder. Dabei steht und fällt alles mit der Nutzer*innen-Zufriedenheit. Wie hoch ist die denn gerade? 

Der Zuspruch sei von Anfang an enorm gewesen. “Die 100 User, die wir nach 4 Wochen angepeilt hatten, hatten wir nach 5 Tagen zusammen und seitdem haben wir ein exponentielles Wachstum. Im Moment haben wir 1500 Inserate online, 600 sind schon abgeschlossen und wir haben zehntausende Interaktionen pro Tag.” Pflanzenkreisel ist am 12. Februar 2021 online gegangen. 

Generell gebe es sehr positives Feedback und viele Menschen freuten sich, dass es jetzt endlich eine Anlaufstelle wie Pflanzenkreisel gebe. Aber, das betont Basti, es gibt auch konstruktive Kritik und gute Verbesserungsvorschläge. “Die Menschen schreiben uns, was wir an der Plattform noch anpassen können und nehmen das Angebot an, dass wir ein bisschen nahbarer sind als Ebay oder Facebook und man uns einfach eine Nachricht per Mail oder Instagram schreiben kann.” Geantwortet werde immer. (Das kann ich bisher so bestätigen.)

Langfristig sollen sich die Mitglieder untereinander bewerten können (wie wir das beispielsweise schon von Vinted kennen), sodass das Vertrauen in Transaktionen mit fremden Menschen größer werde. Auch größere lokale Märkte in Städten wie Berlin oder Köln sollen ausgebaut werden – damit nicht so viele Pflanzen durch ganz Deutschland geschickt werden müssen. Trotzdem plädieren die Gründer dafür, auch in ländlichen Regionen die Plattform zu nutzen: Irgendjemensch muss den ersten Schritt machen, damit es in einer Region Angebote gibt. Der Kern von Pflanzenkreisel ist das Lokale.  

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Copyright: Pflanzenkreisel

Dabei soll es nicht darum gehen, Einzelpersonen zu verurteilen – sondern darum, eine Alternative anzubieten.

“Ich glaube, den Menschen etwas zu verbieten, ist generell nicht der optimale Ansatz, um sie mitzunehmen”, meint Basti. “Alternativen bei gleichzeitigem Wissenstransfer aufzuzeigen, funktioniert besser. Zu erklären, warum die Alternative vielleicht noch mehr positive Effekte hat und zu sagen: Schau dir das hier an, gib ,Monstera’ ins Suchfeld ein – vielleicht gibt es jemanden in deiner Stadt, der Ableger züchtet und dann hast du noch ein bisschen Spaß dabei. Anstatt in den nächsten Großhandel zu laufen. Wir wollen natürlich auch aufklären.” 

Eigenkapital und viel, viel Zeit 

Pflanzenkreisel, das höre ich schnell heraus, ist ein Leidenschaftsprojekt – der Begriff “Hobby” fällt oft. Da liegt die Frage nahe, wie die drei Gründer das finanzieren. Mit 100% Eigenkapital, lautet die Antwort. Alle arbeiten nach wie vor Vollzeit in ihren “normalen” Jobs und sitzen dann oft bis spätabends und auch am Wochenende an Pflanzenkreisel. Vor allem die neuen Apps, die bald für Android und IOS rauskommen sollen, seien jetzt sehr zeitintensiv. 

Externe Werbung wollten sie in der Anfangsphase auf keinen Fall auf Pflanzenkreisel schalten, ergänzt Basti. Das sei für Kund*innen sicherlich auch kein schönes Gefühl, direkt mit Werbung zugeschüttet zu werden. Gerade gibt es die Möglichkeit, Anzeigen gegen ein Entgelt prominent platzieren zu lassen – das werde auch schon gut genutzt, sodass die Idee im Raum steht, das Modell auszubauen. Derzeit sei aber vieles noch in der Beobachtungs- und Aushandlungsphase, die ersten Gespräche mit potenziellen Geschäftspartner*innen (die sich ebenfalls an den Grundsätzen nachhaltigen Handelns orientieren müssen) haben bereits begonnen.

Immerhin, sagt Mike, habe sie das nicht davon abgehalten, auch den Server CO2-neutral zu hosten – auch, wenn das doppelt so viel kostet wie normales Hosting. Basti ergänzt: “Das Einzige, was bei uns in den letzten 2 Monaten nicht CO2-neutral gelaufen ist, sind die zwei Briefe von der Stadt für die Gewerbeanmeldung. Ansonsten sind wir ohne ein Blatt Papier ausgekommen.”

Der Weg ist bisher nicht unbedingt einfach, aber er verläuft besser, als das Gründungsteam sich erhofft hatte – und Spaß mache die Arbeit außerdem. Erfolg wünschen die drei sich trotzdem: “Am Ende des Tages soll Pflanzenkreisel eine etablierte Marke werden, bei der die Menschen Pflanzen tauschen können”, fasst Julian zusammen. 

Dennoch geht es nicht darum, den Menschen etwas vorzuschreiben: “Wenn jede*r möglichst viel im eigenen Rahmen tut, ist schon sehr viel geholfen. Wenn wir unseren Konsum alle ein bisschen überdenken.” Es geht um neue Möglichkeiten und die sind (so sie weiter bestehen bleibt, was ich sehr hoffe) mit der neuen Plattform Pflanzenkreisel gerade ein bisschen vielfältiger geworden.

JENNI MARR

Wanderin im Geiste, mit der Nase im nächsten Buch, nie so ganz zuhause und doch immer da.

KOMMENTARE

Wie cool ist das denn? Ich sehe zwar bei uns in der Region immer wieder interessante Angebote bei ebay Kleinanzeigen und habe auch selbst schon Pflanzen darüber weiter gegeben. Aber so richtig gut filtern kann man da (zumindest für Pflanzen) nicht. Dann hoffe ich, dass sich die Plattform schnell etabliert und erzähle es reichlich weiter. Ich hätte da nämlich noch einige Ableger loszuwerden 😉

LG Vanessa

Hey Vanessa!
Es freut mich sehr, dass du da eine neue gute Anlaufstelle gefunden hast. 🙂
Ich schaue auch total gerne vorbei – vor allem, seitdem es jetzt die Apps gibt, die das ganze nochmal übersichtlicher gestaltet haben. Ich muss mich ein wenig zusammenreißen, nicht allzu viel Geld zu investieren… 😀

Liebe Grüße
Jenni

Wie genial! Wie oft habe ich mich geärgert, dass es sowas nicht gibt und freue mich sehr hier zu lesen, dass einige Menschen sich zusammengesetzt haben und was aufgebaut haben 🙂

Hey Mai,
ja, das geht mir ganz genauso!

Ich habe auch schon oft das Bedürfnis nach einer einheitlichen Plattform gehabt und war dann immer ein bisschen frustriert, weil ich dann doch auf Facebook zurückgreifen musste (ist mir mittlerweile viel zu überladen) oder bei Ebay Kleinanzeigen gesucht habe, was sich irgendwie auch als unbequem herausstellte (jedenfalls für mich).

Es bleibt sehr zu hoffen, dass Pflanzenkreisel weiterhin so gut angenommen wird und bald viele Menschen dort Pflanzen ein langes Leben geben. 🙂

Liebe Grüße an dich!
Jenni

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