Wir müssen darüber reden, wie wir miteinander reden.
Also: Vor allem online, denn da halten die meisten von uns sich gerade 24/7 auf. Innerhalb der linken Bubble auf Instagram (und scheinbar auch auf Twitter, wo ich aus guten Gründen nicht bin) gab es in den vergangenen Wochen eine unterschwellig laufende Debatte darüber, wie miteinander umgegangen wird – und was wir ändern müssen.
Der Fokus dabei lag vor allem auf dem Feminismus und der mittlerweile seit weitschweifig diskutierten Frage, wo Cancel Culture anfängt und wo sie aufhört beziehungsweise wo Canceln berechtigt sein kann. Dazu möchte ich im Folgenden nicht viel sagen, außer:
- Wenn marginalisierte Menschen dir sagen, dass etwas nicht okay war und dich (ob nach zahlreichen privaten Interaktionen oder nicht) öffentlich für dein Verhalten outcallen, ist das kein Canceln, sondern ein Lernangebot. Das ist schmerzhaft, aber notwendig – und vor allem ist es kein Mobbing.
- Anders sieht das aus, wenn sich Menschengruppen gezielt auf eine Person einschießen, sie über einen langen Zeitraum öffentlich bloßstellen (was etwas anderes als Outcalling ist), und es nicht darum geht, ein bestimmtes Verhalten, sondern die Person an sich zu kritisieren respektive zu demütigen. Das passiert derzeit andauernd, sodass ich mich manchmal ernsthaft frage, ob ich wieder auf dem Schulhof gelandet bin.
- Was mich direkt zum nächsten Punkt bringt: Ich möchte die eine Person sehen, wie perfekt und allwissend auf diese Welt gekommen ist. Den intersektional-feministischen und -ökologischen Messias, sozusagen. Es geht nicht darum, nicht alles zu wissen – Fehler sind menschlich (ich mache selbst die ganze Zeit welche und lerne jeden Tag dazu). Es geht darum, sich für neue Perspektiven und eine sich immer schneller ändernde Welt zu öffnen, in der so gut wie nichts jemals final ausgehandelt sein wird. Das bedeutet auch, die eigene Unvollständigkeit in anderen Menschen zu sehen und ihr auf dieser Basis mit einer gewissen Milde und Demut zu begegnen. Abgesehen von Nazis, versteht sich.
Online-Aktivismus als Zielscheibe
Worum es mir hier aber eigentlich gehen soll, ist noch eine andere Sache, die ich – mal zusammenhängend, mal unabhängig von der Cancel-Culture-Thematik – beobachtet habe und die mir sehr auf den Senkel geht.
Es geht um den häufiger zu lesenden Claim, Online-Aktivismus sei kein “richtiger” Aktivismus. “Statt deine Zeit auf Social Media zu vertreiben, mach doch mal was Sinnvolles”, lese auch ich manchmal in Mails, die mir Stefans und Richards schreiben und viele meiner Kolleg*innen dürfen sich Ähnliches anhören.
Es wäre zu schön, wenn solche Nachrichten nur von weißen, älteren Herrschaften in die Postfächer dieser Welt geflutet würden, aber dem ist beileibe nicht so. Auch untereinander wird dieses Schein-Argument hin und her gepingpongt – und verfolgt dabei doch nur ein einziges Ziel: andere Menschen zum Schweigen zu bringen, indem sie soweit abgewertet werden, dass sie sich nicht mehr trauen, Präsenz zu zeigen und sich ergo zurückziehen.
Es handelt sich also um ein Macht-Werkzeug – zu erkennen auch daran, dass der Gehalt vollkommen an der Realität vorbeigeht beziehungsweise genau diese ignoriert.
Realität und vermeintliche Scheinwelt
Hinter dem “Online-Aktivsmus”-Argument und seinen Verwandten (Klicktivismus etc.) steckt die Prämisse, dass es eine “echte” Realität auf der einen und eine Scheinwelt auf der anderen Seite gebe.
Die Annahme: In die Scheinwelt sollte mensch besser nicht zuviel Zeit und Geld investieren – denn das alles ist ja nicht “echt”. Und d*mm macht das ständige Starren auf den Bildschirm sowieso. Während letztere Aussage sowohl klassistisch (welche Klasse lässt ihre Kinder unvernünftigerweise lange vor dem Bildschirm hängen und kann sich selbst nicht kontrollieren?) und ableistisch ist (d*umm als Schimpfwort), ist das gesamte Argument auch faktisch falsch.
Denn wie wir spätestens alle seit Corona gemerkt haben dürften, ist die saubere Linie zwischen echter Realität und Scheinwelt schon lange verschwommen. Im Internet laufen Trollarmeen Sturm, um Wahlausgänge zu beeinflussen und ganz echte Menschen finden zueinander, werden Freund*innen, bilden demokratiegefährdende Netzwerke, verlieben sich, heiraten (nicht in dieser Reihenfolge). Ganz echte Menschen verüben nach andauernden verbalen Attacken Suizid. Mensch kann ganz echte Dinge über das Internet bestellen und zwar kein anfassbares, aber doch zumindest ziemlich echtes Geld auf Konten hin- und zu Steueroasen hinausschieben.
Es gilt nicht für alles und nicht umfassend, aber: Realität ist wesentlich auch das, worauf wir uns als Gemeinschaft einigen.
Geld wäre nicht “echt” und hätte keinen Wert, wenn wir nicht alle daran glauben würden, dass es ein Zahlungsmittel ist. Die Gemeinschaft hat sich darauf geeinigt, wesentliche Bereiche des Lebens und Arbeitens ins Internet auszulagern (was bitte funktioniert heute nicht online?). Sich dann der konsequenten Schlussfolgerung zu verwehren, dass auch hier Realität stattfindet, ist (gelinge gesagt) interessant.
Klassistische Abwertung
Der zweite Punkt, der mich an dem Online-Aktivismus-Argument stört, ist die Wertung, die darin enthalten ist.
Was damit nämlich gesagt wird, ist: Es gibt die eine Art Aktivismus, die für alle richtig ist – und jene, die was anderes machen, haben es entweder nicht verstanden, machen es absichtlich falsch (und sind also auch wieder: d*mm) und/oder verschwenden so ihre Energie, die ja eigentlich auf die richtige Art für die Rettung der Welt / den Fortschritt des Feminismus etc. eingesetzt werden könnte.
Und das wiederum ist ein ziemlich ekliges Statement, weil es sämtliche Lebensrealitäten von anderen Menschen komplett ausblendet und davon ausgegangen wird, dass alle gleichermaßen körperlich, psychisch und ressourcentechnisch (Zeit!) in der Lage sind, auf Demos zu gehen, sich in Vereinen zu engagieren und sich zum Talk mit Politiker*innen zu treffen. Oder gar Bücher zu schreiben und das entsprechende Thema zu studieren, um danach vielleicht qualifiziertere (!) Aussagen zu treffen.
Diese Annahme trieft vor Klassismus.
Um es sehr deutlich zu sagen: Es ist großartig, dass Menschen das Internet nutzen, um auf wichtige Dinge aufmerksam zu machen. Durch die Unterzeichnung von Petitionen sind immerhin schon Gesetze geändert worden (soviel zum Thema Realität und “Sinn”). Es ist außerdem für sehr viele Menschen der einzige Ort, an dem eine umfassender Beschäftigung und Mitteilung möglich ist – weil sie “in der Realität” nicht gesehen und nicht gehört werden, weil ihre Stimmen systematisch gesilenced werden. Weil sie es nicht aus dem Haus schaffen. Weil sie Kinder betreuen, Angehörige pflegen müssen und 3 Jobs haben und dann der Gang zu Social Media besser zu den noch vorhandenen Energie-Reserven passt als der zur Bürger*innen-Versammlung.
Sowohl als auch
Es geht nicht darum, das eine Engagieren gegen das andere auszuspielen – wann werden wir das endlich lernen? So kommen wir keinen Deut weiter.
Es ist super, wenn du so viel Energie hast und vielleicht sogar extrovertiert genug bist, überall “in echt” in der ersten Reihe mitzulaufen und dir die Seele aus dem Leib zu brüllen oder dich stundenlang in Debatten mit anderen auszutauschen. Das macht deine Lebensweise von Aktivismus aber nicht zur einzig legitimen.
Natürlich darf “Aktivismus” bei der ganzen Sache nicht mit performativem Aktivismus (also: mehr Schein als Sein) verwechselt werden – aber das gilt sowohl auf der einen wie auf der anderen Seite. Sowohl online als auch offline kann mensch große Reden schwingen und dann keine Taten folgen lassen, wenn es darauf ankommt. Und vor allem: Wenn niemensch hinsieht.
Eine andere Frage ist diejenige nach der Wirksamkeit: Es wird oft betont, nur die Aktion auf der Straße sei die einzig wirksame und wenn wir auf unmittelbare medial verwertbare Bilder schauen, ist da sicherlich was dran. Wenig ist so überwältigend wie eine protestierende Menschenmasse – so ganz in echt.
Das Problem hierbei ist, dass oft die Langfristigkeit fehlt. Aktivistische Bildungsarbeit beispielsweise ist mühselig, dauert sehr lange und liefert keine unmittelbar messbaren Ergebnisse, wird nicht oft als Top-Thema in der Tagesschau vorgestellt. Und trotzdem ist sie enorm wichtig, weil sie Basisarbeit ist.
Unterrichtsmaterial
Ich weiß nicht, wie viel ich schon dadurch gelernt habe, dass Menschen auf Social Media immer wieder dieselben Dinge wiederholen – bis es dann bei mir irgendwann Klick macht. So geht es jeden Tag sehr vielen Menschen und ich glaube, es wird massiv unterschätzt, was für eine transformative Kraft darin liegt. Wie schnell Diskurse vorangetrieben werden, wie viel Wissen ausgetauscht wird, das es bisher nicht in den Kanon geschafft hat. Wie viele sonst nicht sichtbare Lebensrealitäten auf einmal sichtbar und hörbar werden. Meine jüngeren Schwestern sind jetzt schon viel weiter in Gerechtigkeitsdiskursen als ich in dem Alter. Ihr Unterrichtsmaterial: Instagram und Tiktok.
Social Media kommt (noch) nicht an die Komplexität von Büchern und fundierten Artikeln heran, allein schon aufgrund der Begrenztheit der Formate. Aber es ist deswegen nicht minder wichtig oder gar minderwertig. Online-Aktivismus hat mich dazu gebracht, mir entsprechende Bücher zu kaufen, mit die jeweiligen Dokus anzusehen und mich in entsprechende Themen auch offline einzugraben – und selbst, wenn das (mangels Ressourcen beispielsweise) nicht passiert wäre, wäre der Lernfortschritt enorm gewesen.
Es gibt viel zu kritisieren am Internet, an Social Media im Speziellen – doch der “Online-Aktivismus ist kein Aktivismus”-Turn erinnert mich manchmal an hilfloses und undifferenziertes Argumente-Gewedel von Menschen, die sich dadurch profilieren möchten, “ja nicht auf solchen Plattformen angemeldet” zu sein und generell die ganze Zeit “digital detoxen”.
Es macht mich müde, es bringt niemensch weiter, ich will es nicht mehr hören.
Ach ja, ihr Mann ist übrigens auch Veganer :).
Hatte ich vergessen dazu zu schreiben 😅
Liebe Jenni,
wieder mal ein wunderbarer Artikel von dir.
Bislang lese ich immer nur still mit, aber dieses Mal muss ich dann doch auch mal einen Kommentar schreiben.
Denn ich finde deine Arbeit so unglaublich inspirierend.
Ich denke nicht, dass virtueller Aktivismus schlechter ist oder weniger wert als Aktivismus der auf der Straße stattfindet.
Das Internet bietet nicht umsonst die Möglichkeit, dass wir uns weiter bilden können. Und uns auch mit Themen beschäftigen können, mit denen wir uns ohne vielleicht niemals auseinander gesetzt hätten.
Das was ich jetzt sage hat vielleicht nichts mit Themen wie Nachhaltigkeit oder Veganismus zu tun, doch es hat mich zum Positiven geprägt.
Und zwar hatte ich früher immer Probleme mit meinem Körperimage. Ich denke da geht es auch vielen Frauen so.
Wir finden unsere Beine nicht schön oder denken wir wären nicht schlank genug.
Durch Zufall bin ich dann auf das Instagram Profil von Dana Linn Bailey gestoßen.
Sie ist eine professionelle Bodybuilderin und die erste Miss Olympia Womens Physique Gewinnerin überhaupt.
Jedenfalls gelangte ich von Instagram auf ihre Youtube Videos. Und seitdem hat sich für mich so einiges geändert.
Heute kann ich durch ihren Aktivismus, wenn man es denn als solchen bezeichnen kann, sagen, dass ich mich liebe wie ich bin.
Ich lebe heute gesünder und bin fitter als ich es jemals war. Und das durch ihren Aktivismus. Weil sie als Mensch mich online inspiriert.
Ich weiß nicht ob ich hier bei dir einen Link einfügen darf, doch falls du sie nicht kennst, hier ein Video von ihr:
https://www.youtube.com/watch?v=kEI5F_9sYHQ
Lass dir bitte nicht einreden, dass deine Arbeit nichts wert wäre.
Du erreichst so viele Menschen. Und wenn es auch nur einer ist, der mehr über die dir wichtigen Themen nachdenkt. Dann ist das doch mehr wert
als all die negativen Stimmen. Oder etwa nicht?
Hallo Marla,
ich danke dir für deinen Kommentar und die lieben Worte und freue mich über die schöne Rückmeldung. 🙂
Und ich denke, du hast recht: Durch das Internet haben viele von uns die Chance, sehr viel zu lernen, gerade was Themen angeht, die sonst eher nicht besprochen werden und einem großen gesellschaftlichen Druck unterliegen.
Das Körperbeispiel ist natürlich eines davon. Da finde ich persönlich die Arbeit von Melodie Michelberger wahnsinnig wichtig und freue mich auch schon darauf, bald ihr Buch lesen zu können.
Dana Linn Baily kannte ich noch nicht und habe mich gerade kurz eingelesen – danke dir für den Tipp.
Ich persönlich bin sehr vorsichtig, das, was sie macht, als Aktivismus zu bezeichnen, muss ich sagen – immerhin verdient sie ihr Geld hauptberuflich damit, anderen Menschen zu Normschönheit zu verhelfen. Ich möchte ihr nichts Böses unterstellen oder sagen, dass sie ein schlechter Mensch ist (kann ich ja gar nicht, weil ich sie nicht kenne), aber ihre Arbeit fällt für mich in klassisches Coaching, muss ich sagen. Sie sagt ja auch, dass sie sich erst so richtig geliebt hat, nachdem sie angefangen hat, zu trainieren und vermittelt (jedenfalls für mich als Außenstehende) den Eindruck, mensch müsste eine, bestimmten Aussehen enstprechen, damit “mensch bei sich angekommen ist” und dass es “nur im Mindest” liege, was ja nicht stimmt – weil unzählige weitere Faktoren das eigene Glück bestimmen können.
Kurzum – da bin ich immer sehr vorsichtig und horche spätestens bei solchen Aussagen auf. Da möchte ich aber nicht ihren Einfluss auf Menschen oder auf dich kleinreden, im Gegenteil, nur ein wenig ausdifferenzieren. 🙂
Danke dir für den Austausch und liebe Grüße!
Jenni
Wollte ich noch schreiben:).
Sie verdient ihr Geld nicht allein Hauptberuflich mit ihren Workouts.
Sie betreibt zusammen mit ihrem Mann noch eine Sportbekleidung namens Flag nor Fail, besitzt ihr eigenes Gym namens Warehouse Gym (so benannt weil sie und ihr Mann früher in verschiedenen Warehouses gelebt haben) und zusätzlich haben sie auch noch eine Sport Supplement Company namens Run Everything Labs.
Und ihr Mann Rob Bailey produziert noch seine eigene Musik.
Danke für den Tipp mit Melodie Michelberger :).
Finde ich echt klasse :).
Hallo Jenni,
danke für deine Antwort ;).
Ich sehe das eher anders muss ich sagen. Weniger, dass sie anderen zu Normschönheit verhilft, oder das ihr einziges Anliegen ist.
Mal ganz davon abgesehen, dass muskulöse Frauen auch nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen.
Da ist ihr Körperimage so ganz und gar nicht der gängigen Norm entsprechend.
Einmal gab sie ein Interview, in welchem sie davon sprach, dass Leute ihr solche Sachen schreiben wie ihr Körper sei hässlich, oder ekelig,sie sähe aus wie ein Mann oder so wie sie aussehe würde sie nie einen Kerl abbekommen.
Und dass sie sich auch überlegt hatte sich einer Brust-OP zu unterziehen (weil sie durch das Training eben keine weibliche Brust mehr hat, sondern eben Brustmuskeln). Dass jedoch ihr Mann ihr davon abgeraten hat. Weil er sie so schön findet wie sie ist.
Darin sprach sie auch dass sie die Ansicht vertritt, dass sich viele Frauen leider solchen Ansichten unterwerfen, um dem Ideal anderer zu gefallen.
Habe dir noch ein Video hinzugefügt, dort zeigt sie wie sie ihre Schultern trainiert: https://www.youtube.com/watch?v=M4dpmaK8tJ4
(Das eigentliche Workout beginnt ab Minute 6 :))
Ich finde es ehrlich gesagt irrelevant ob jemand mit dem was er tut auch Geld verdient.
Du verdienst durch Werbung hier auf deinem Blog ja sicher auch Geld, sowie wie mit deinem Buch.
Wo ist da nun der Unterschied?
Ich sehe in solchen Menschen wie Dana Linn Bailey eher eine Frau, die sich in einer Männerdomäne behauptet.
Und nicht auf die Art wie beispielsweise eine Pamela Reif, die aussieht wie ein Model und deren Workouts nur das typische Bauch-Beine-Po Programm für Frauen abspielen.
Sie betreibt beispielsweise auch Powerlifting. Darin geht es um Maximalkraft, und weniger um Optik.
Doch hier kann man geteilter Ansicht sein, was denn nun Body Positiv ist.
Selbstakzeptanz bedeutet ja nicht allein alles einfach so hinzunehmen wie es ist. Nach dem Motto: Dann bin ich halt übergewichtig und habe Diabetes.
Sondern auch zu sagen, okay, es ist so wie es ist, aber ich habe die Verantwortung und kann meine Gesundheit verbessern.
Mir hat sie jedenfalls zu mehr Gesundheit verholfen. Und das bedeutet mir viel.
Danke auch dir für den Austausch ;).
Und weiterhin viel Erfolg ;).
Hallo Marla,
danke dir für deine ausführliche Antwort. 🙂
Ich möchte kurz vor allem auf die Sache mit dem Geldverdienen eingehen: Natürlich verdiene ich hiermit auch mein Geld und würde mich daher nicht nur als Aktivistin, sondern auch als Schriftstellerin, Influencerin und Journalistin bezeichnen. Ich bin sozusagen Grenzgängerin (auch ein bisschen, weil ich muss und nicht anders über die Runden komme). Das kann mensch natürlich berechtigterweise kritisieren (was du ja nicht tust, aber theoretisch ist das möglich).
Im Fall von Dana würde ich sie eher als klassische Unternehmerin einordnen, was nicht abwertend ist, denn auch da kann mensch positiven Impact auf andere Menschen haben. Aber sie ist eben nicht nur altruistisch, sondern es ist ein Geschäft, dessen muss mensch sich schon bewusst sein, denke ich.
Bezüglich Body Images hast du natürlich recht, dass Powerlifting und “Weiblichkeit” immer noch als gegensätzlich verstanden werden und es abgewertet wird, wenn weiblich gelesene Menschen viel Kraftsport betreiben. Da findet eine weitere Form von öffentlicher Aneignung des weiblichen Körpers statt und das Lifting kann durchaus Emanzipation davon sein.
Trotzdem sehe ich auf der anderen Seite einen Optimierungswunsch, eine “Verbesserung” und die Frage, die sich mir stellt, ist: Wohin verbessern und warum wird die Ausgangslage als unbefriedigend empfunden? Dazu kommt häufig leider auch ein implizites Fatshaming (vorher-nachher-Bilder). Da muss ich mich wiederholen: Es bedeutet nicht, dass die Menschen schlechte Menschen sind, aber es bedeutet, dass ich gerne genauer hinschaue und die Mechanismen dahinter verstehen möchte.
Ich verteufle ihre Arbeit also nicht (nochmal: wer bin ich, sowas zu tun), aber ich sehe sie durchaus differenziert. Es freut mich aber für dich, dass sie dir (vor welchem Hintergrund auch immer) ganz individuell helfen konnte, dich besser anzunehmen. 🙂
Liebe Grüße an dich!
Jenni
Auf eines möchte ich noch eingehen. In Bezug auf deine Frage warum man das Bedürfnis nach Optimierung habe.
Ich betreibe 5 Mal die Woche inzwischen Kraftsport. Es ist mitunter such das Gefühl von wow, ich kann 70 kg bei Kniebeugen beugen. Oder 90 kg beim Kreuzheben.
Der sichtbare Erfolg der eigenen Leistung. Dass sich die Ausdauer auszahlt. Aber auch das damit verbundene neue Körpergefühl. Wenn ich daran denke, dass ich bis vor 2 Jahren nicht mal eine Liegestütze konnte und heute 25 hinter einander kein Problem sind.
Natürlich verändert sich mit der Zeit dann auch der Körper. Es bauen sich Muskeln auf und man entwickelt einen gewissen Stolz. Eben auch ein neues Körpergefühl. Und weil es Spaß macht und man sich fitter fühlt, möchte man das natürlich beibehalten oder auch sich selbst steigern.
Das ist die eine Komponente.
Ich erlebe immer wieder so viele Frauen, sie schlank sind, aber sich denken ihre Beine wären zu dick, ihr Hintern nicht rund genug, der Unterbauch nicht flach genug.
Früher dachte ich genauso. Durch die Muskeln an meinen Beinen liebe ich ihre Form. Ich finde sie einfach schön und trage heute gerne kurze Röcke oder Shorts. Früher war das für mich undenkbar.
Es ist schwer zu erklären. Doch irgendwie bedingt das Eine das andere. Ich bin auch nicht hingegangen und dachte mir ich möchte aussehen wie Person x. Oder einem Ideal entsprechen.
Mir macht der Sport einfach mega Spaß und gesundheitlich geht es mir heute um so vieles besser. Mein Blutdruck ist wieder normal, ich konnte diverse Medikamente absetzen.
Irgendwie ist es ein Prozess von innen heraus. Durch meine Leistungen im Gym, ist auch mein Selbstbewusstsein gewachsen. Weil ich mich selbst an meine Grenzen bringe und diese immer wieder überschreite und dadurch sehe, hey, ich kann dies oder ich kann jenes. So haut mich auch nichts mehr um.
Einfach eine Mischung aus vielen Komponenten 🙂
Liebe Jenni,
Danke für deine Antwort. Doch Vorher Nachher Bilder als Farshaming zu betrachten, da habe ich eine andere Ansicht.
Ich sehe es nicht als optische Optimierung. Sondern als Zugewinn an Lebensqualität.
Ich finde in der Fatpositive Beweise genug diese Darstellung von Vorher Nachher Bildern als toxisch etwas das in eine toxische Richtung geht. Und daher mindestens genauso kritisch angesehen werden sollte wie Magermodels. Weil jemandem zu sagen, der vorher übergewichtig war und der hart an sich gearbeitet hat, weil er gesundheitliche Einbußen durch sein Übergewicht hatte, seinen Journey zu teilen wäre toxisch, ist nicht der Sache gerecht.
Sorry, wenn ich das so sage, aber ich habe einen Freund der 220 kg wiegt. Und eine Freundin die mal 200 kg wog. Sie hat inzwischen 90 kg abgenommen. Und hat jetzt mit überschüssiger Haut zu kämpfen.
Sie sagt ihr Erkenntnispunkt war der, als sie Herstellen bekam und plötzlich nicht atmen konnte. Ab da hat sie abgenommen. Zu sagen ihren Journal zu posten im Sinne von vorher Nachher Fotos sei fat shaming und würde bedeuten ihr Körper wäre vorher schlecht gewesen…. sehr kritisch diese Aussage.
Also sollte man auch hier differenzieren und wirklich genauer hinsehen. Denn es ist was anderes ob jemand nur 20 kg Übergewicht hat oder über 100 kg. Da werden dann selbst alltägliche Dinge wie Schuhe zubinden schwer.
Sorry, möchte nicht zu harsch klingen. Aber da werde ich dann doch etwas emotional :).
Die auf jeden Fall alles Liebe 🙂
Hey Marla,
ja, die Emotionalität kann ich gut verstehen, es ist ja auch ein emotionales Thema. Es gibt wenig Emotionaleres als Körper.
Das, was du beschreibst, ist ja auch nur eine andere Facette des Themas – das widerlegt meine Argumentation nicht, die sich ja auf eine viel grundlegendere Ebene konzentriert. Natürlich sind Fälle immer unterschiedlich und mensch kann – egal von welcher Richtung – nicht alles über einen Kamm scheren. Wenn Menschen sich gut fühlen, ist alles prima. Mir geht es um die systemische Ebene, da übe ich Kritik und dazu gehört auch die Darstellung und Bewertung von dicken Körpern.
Das bedeutet aber auch nicht, dass ich aus meiner Position jedes Verhalten direkt in eine Kategorie packen und einen Stempel draufhauen kann, was ich auch tunlichst vermeide.
Vielleicht ist mein Standpunkt jetzt ein bisschen deutlicher geworden. 🙂
Liebe Grüße und danke für den Austausch!
Jenni
Liebe Jenni,
habe mir mal die liebe Melodie angesehen. Finde es echt toll, dass sie solch eine Aufklärungsarbeit leistet und auch den Mut qufbringt sich und ihren Körper so zu zeigen.
Ich denke Menschen wie sie sind ein gutes Beispiel für deinen hiesigen Artikel. Dass sie mit ihrem Intsgram Account, aber auch ihrem Buch sehr viele Menschen erreicht.
Hast du denn such vor eine Buchrezension über ihr Body Politik zu schreiben?
Vielleicht eine etwas aufdringliche Frage, sorry, falls dem so sein sollte :).
Wie gesagt, ich denke nicht, dass mein Beispiel von Dana allein nur dazu dient Menschen zu Normschönheit zu verhelfen.
Denn es geht um mehr als nur die optische Optimierung. So hält regelmäßiger Sport einfach auch fit und gesund und stärkt das Immunsystem.
Davon abgesehen ist schweres Lifting und Weiblichkeit auch in der heutigen Zeit noch eine Kontroverse.
Viele Frauen haben Angst schwer zu trainieren, weil sie befürchten sonst zu männlich zu werden. Als Beispiel.
In dem Sinne würde ich mir auch da wünschen, dass muskulöse Frauen in der Vielfalt von Körpern mehr vertreten wären.
Nicht um zu zeigen man solle irgendwelchen Idealen hinterher hechten. Doch dass es auch eine solche Form der Diversität gibt, die eben nicht so der Norm entspricht. Die geht ja eher in Richtung skinny.
Liebe Grüße dir! 🙂
Liebe Jenni,
Danke dir. Ja, ich verstehe was du meinst :).
Zum Thema interessant finde ich beispielsweise auch John alias Obese to beast.
Er hat glaube ich über 70 kg abgenommen und betreibt Crossfit und setzt sich auch auf seinem Youtube sowie Instagram sehr viel mit HAES und Bodypositivity sowie Fatacceptance auseinander.
Er selbst hat auch überschüssige Haut, die er sich bislang nicht hat weg operieren lassen aufgrund der Risiken einer solchen OP.
Sein Körperbild ist daher auch nicht das was man als Normtypisch bezeichnen würde.
Vielleicht würde dich das auch etwas interessieren, mal einen Blick zum Thema reinzuwerfen :).
Auf jeden Fall ein toller Austausch mit dir.
Danke dafür:)
Liebe Jenni,
ich finde, dass das ein wichtiger Impuls von dir ist und stimme dir da sehr zu. Einige Gedanken hatte ich gar nicht richtig auf dem Schirm wie etwa dass Zeit und Ressourcen eine große Stärke von Instagram im Bereich der Bildungsarbeit ist. Bisher war das für mich eher ein Manko, weshalb ich Blogs lieber lese/konsumiere. Aber absolut: Die Kürze und die Wiederholung macht den Zugang zu diversen Themen um einiges einfacher – ich merke selbst, wie viel ich in den letzten Jahren via Instagram gelernt habe.
Liebe Mai,
danke dir für deinen Kommentar!
Ich freue mich, dass der Text dir gefallen hat. 🙂
Ich glaube, da hat sich in den letzten Jahren wirklich ganz, ganz viel auf Social Media getan, gerade auf Instagram und Tiktok. Diese Entwicklung zu beobachten, ist super schön, finde ich.
Persönlich lese ich die entsprechenden Sachverhalte dann auch lieber in langen, zusammenhängenden Texten nach (gerade auch, weil ich merke, dass Social Media mich schnell unruhig machen kann), aber gesamtgesellschaftlich hat das Diskutieren auf Social Media großes Potenzial.
Ich habe mich kürzlich mit meinen Schwestern über trans Menschen und Elliot Page unterhalten – und sie waren genauso gut informiert wie ich (ich habe einen Altersvorsprung von 6 bzw. 8 Jahren).
Was Blogs angeht: Ich habe ja die Hoffnung, dass es ein Revival geben wird. 😉
Liebe Grüße
Jenni