Kritische Weißheiten: Ich denke darüber nach, was mein Weiß-Sein bedeutet

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9. Juli 2020

Das hier könnte ein längerer Beitrag werden – vielleicht ist es eine gute Idee, ihn in Ruhe und mit einer Tasse Tee in der Hand zu lesen. In den folgenden Zeilen denke ich über Rassismus nach – und zwar nicht in erster Linie darüber, wie er sich für BIPoC (Black, Indigenious and Person/People of Color) anfühlt und was es überhaupt für Rassismus gibt.

Sondern darüber, was eigentlich meine Rolle in diesem System ist: Wo profitiere ich – oft, ohne es zu merken? Wie trage ich dazu bei, dass sich der Status Quo ändert – und wann erhalte ich ihn unbewusst? Wann habe ich mich überhaupt zum ersten Mal aktiv mit Rassismus beschäftigt – und ist mir eigentlich klar, dass allein die Wahl schon ein frappierendes Privileg ist? 

Fragen, die auch mein Weiß-Sein adressieren und auffordern, sich intensiv mit ihm auseinanderzusetzen, stellte Josephine Apraku, Journalistin und Mitgründern des Instituts für diskriminierungsfreie Bildung, letzten Monat in einer 30-tätigen Instagram-Challenge.

Normalerweise mache ich nicht bei Challenges mit, weil sie mich nicht ansprechen (und ich häufig nicht durchhalte), aber bei der Challenge zu den Kritische-Weiß_heiten ist das anders: Ich habe mich sofort sowohl angesprochen als auch ertappt gefühlt (dazu gleich mehr) und direkt damit begonnen, auf Instagram die Fragen zu beantworten – bis ich gemerkt habe, dass ich das Format als für dieses Thema unbefriedigend schnell empfinde und die Antworten zum einen so lang ausformulieren möchte, wie der Inhalt benötigt und zum anderen eine Art “Dauerhaftigkeit” in die Reflexion hineinbringen möchte. Sie soll auch in ein paar Jahren noch relativ unkompliziert abrufbar sein. 

Beginnen wir direkt mit Frage 1 von 30. 

(Die Fragen sind direkt von Josephine Apraku zitiert, Einleitungen zu den Fragen ebenfalls.)

1) Wann ist dir das erste Mal bewusst gewesen, dass du weiß bist?

Ich glaube, zum ersten Mal wurde mir das vor etwas mehr als 10 Jahren klar, in einem Gespräch mit einer PoC. Mein Gegenüber ließ mit wütendem Nachdruck das schon fast geflügelte Wort fallen, er müsse doppelt so viel arbeiten wie ich, um an dieselbe Stelle zu gelangen, das hätten ihm seine Eltern schon von Kleinauf eingetrichtert. Im anschließenden Gesprächsverlauf wurde mir zum ersten Mal bewusst, dass es institutionellen Rassimus gibt und wie er aussehen kann. Und dass ich es zwar nicht einfach hatte – meine Hautfarbe und meine Herkunft allerdings nie Hindernisse in meinem Leben waren.

(Ich maße mir nicht an, bis heute alle Ausprägungen zu kennen und verstanden zu haben. Zu oft habe ich noch ein furchtbares “Aber bist du sicher, dass es daran liegt?” auf der Zunge und dann beiße ich ganz fest drauf und wiederhole Regel Nummer 1: Es liegt nicht an mir, zu definieren, was Rassismus ist und was nicht.)⁣⁣⁣
⁣⁣⁣
Wurde mir früh gezeigt, dass ich in Happyland (der Begriff stammt von der Antirassismus-Trainerin Tupoka Ogette) lebe? Vielleicht. Aus heutiger Perspektive empfinde ich es als viel zu spät. Nach einem Gespräch checkt man außerdem noch längst nicht alle eigenen Privilegien. Hätte jemand anderes als eine PoC der Auslöser sein müssen? Auf jeden Fall. Habe ich immer noch sehr viel zu lernen und mache Fehler? So sicher wie das Amen in der Kirche. 

2) War dir zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass dein Weiß-Sein mit einer vergleichsweisen besseren Behandlung und einem besseren Zugang zu Ressourcen wie Bildung, oder dem Arbeits- und Wohnungsmarkt, einhergeht? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?

Ab diesem Zeitpunkt war mit das durch das konkrete Gesprächsthema in Ansätzen bewusst – natürlich noch nicht in dem Ausmaß wie heute (das sich sicherlich auch noch einmal von dem in 10 Jahren unterscheiden wird). Bis dahin habe ich mir darüber wenig Gedanken gemacht und das Narrativ von der Chancengleichheit geglaubt: Wenn alle sich nur gut genug anstrengen, können alle alles schaffen. Ich habe dann in den folgenden Jahren schnell gemerkt, wie naiv diese Vorstellung war. Diese Überzeugung konnte ich so lange einigermaßen unangetastet pflegen, weil mein Umfeld relativ homogen weiß und mit denselben selbstverständlichen Privilegien, die es möglich machen, solche Aussagen unironisch zu treffen, ausgestattet war. 

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Einleitung Frage 3: Der Begriff weiß – genauso wie die Begriffe Schwarz oder of Color – sind durch Rassismus überhaupt erst entstanden. Vielen ist es nicht bewusst, aber diese Begriffen beschreiben keine ‘Hautfarben’. Menschen sind nicht wirklich schwarz oder weiß. Vielmehr beschreiben die Begriffe etwa den privilegierten Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen – weiß – oder den schlechteren Zugang zu diesen Ressourcen – Schwarz oder of Color. Kurz, Weiß-Sein, unabhängig davon, ob es persönlich gewollt ist oder wahrgenommen wird, bedeutet z.B. nichts anderes, als dass ihr einen vergleichsweise einfacheren Weg durchs Schulsystem hattet bzw. dieser nicht aufgrund eures Weiß-Seins schwer war.”

3) Nenne 3 weiße Privilegien: Welche Bedeutung haben sie für deinen Alltag?” 

  • Wenn ich eine Absage bekomme – egal, ob für eine Wohnung, einen Job oder anderen Bewerbungs-Angelegenheiten – muss ich mich nicht eine Sekunde fragen, ob sie mit meiner Hautfarbe zusammenhängen könnte.
  • Ich gelte überall als Norm, niemals als Abweichung, die irgendwie kategorisiert und belabelt werden muss (“exotisch”, “gefährlich”, “zurückgeblieben/primitiv”). Ich kann mich darauf verlassen, dass mein Alltag auf Menschen ausgerichtet ist, die aussehen wie ich. 
  • Ich muss keine Angst haben, von der Polizei unbegründet verdächtigt oder bei Personenkontrollen bevorzugt nach meinem Ausweis gefragt zu werden. 

Wenn man nur diese 3 Privilegien zusammenfasst, kommt man vor allem bei einem Begriff an: Sicherheit. Diese (und noch viel mehr) Privilegien geben mir die Sicherheit, aufgrund meiner Herkunft und meines Aussehens weitgehend unbeschadet durchs Leben zu gehen (lassen wir Misogynie außen vor, darum geht es hier gerade nicht) und wirken wie ein Sicherheitsnetz: Falls ich doch falle – und die Wahrscheinlichkeit ist aufgrund meines Weiß-Seins deutlich geringer – dann vergleichsweise sanft.

4) Hast du dein Weiß-Sein schon einmal bewusst genutzt, um etwas zu bekommen oder zu erreichen (z.B. eine Wohnung oder einen Job)? In welchem Zusammenhang war das? 

Bewusst habe ich das noch nicht getan, unbewusst mag es mir passiert sein, ohne dass ich bis heute davon weiß (das kann ich nicht ausschließen). Bewusst habe ich mein Weiß-Sein bisher für PoC eingesetzt: Wenn es zu Terminen geht, begleite ich einige Freund*innen, Bekannte und Familie, weil wir beide darum wissen, wie allein meine Anwesenheit die Credibility in den meisten Kontexten erhöht. Bei einigen informellen Anfragen schreibe ich meinen Namen drauf, weil der ziemlich deutsch klingt. 

“Einleitung Frage 5: In Workshops mache ich oft die Erfahrung, dass, wenn weiße Menschen ihre Privilegien im Kontext von Rassismus reflektieren, zwei Dinge geschehen:

1. Sie sammeln vor allem Privilegien, die auf individueller Ebene wirken, wie “Sie sprechen aber gut Deutsch”, ohne dabei mitzudenken, dass weiße Privilegien institutionellen und strukturellen Ebene wirksam sind. Erst, wenn diese 3 Ebenen, also das zwischenmenschliche Miteinander, Regeln, Maßnahmen und Gesetzesgebungen sowie der Zugang zu Bildung oder Arbeit zusammenwirken, ist Rassismus eine Diskriminierung, die den Alltag bestimmt und nicht bloß ein persönliches Vorurteil darstellt. 

1a. Das Sammeln weißer Privilegien auf der individuellen Ebene wird nicht selten dazu genutzt, sich als weiße Person als weniger privilegiert wahrzunehmen und darzustellen: Oft erzählen weiße Menschen, dass ihnen auch schon oft in die Haare gefasst worden sei. Das mag sein, aber auf institutioneller und struktureller Ebene erfahren weiße Menschen aufgrund ihres Weiß-Seins keine Ausschlüsse. 

2. Wenn weiße Privilegien gesammelt werden, wird Weiß-Sein oftmals mit Deutsch-Sein verwechselt bzw. gleichgesetzt. So werden beispielsweise ein deutscher Pass oder auch ein akzentfreies Sprechen der deutschen Sprache als weiße Privilegien gewertet. Ich als Schwarze Frau beispielsweise spreche akzentfrei Deutsch und verfüge über eine deutsche Staatsbürger*innenschaft. Ich habe trotzdem keine weißen Privilegien, mein Deutsch-Sein z.B. wird mir regelmäßig abgesprochen. Das ist wesentlich für die Art und Weise, wie Rassismus in Deutschland funktioniert: Deutsch-Sein = Weiß-Sein. 

5) In der Zukunft: Wie kannst du deine weißen Privilegien für deine Rassismuskritik nutzen? Nenne 3 konkrete Beispiele. 

Ich kann Menschen immer wieder challengen und sie mit rassischen Ansichten, Aussagen und Handlungen konfrontieren. Mir als weiße Person stehen mehr Kraft und auch mehr Ingroup-Privilegien zu, was meine Kritik weniger angreifbar werden lässt: Man kann mich nicht so schnell silencen und falls es versucht wird, bin ich danach trotzdem noch in der Ingroup, es hat also keine weitreichenden Konsequenzen für mich. Ich kann demnach auch in Räumen, zu denen BIPoC wenig bis gar keinen Zutritt haben – von der Grillfeier mit meiner Familie bis hin zum 98% weißen Arbeitsplatz widersprechen, Anregungen dalassen, Position beziehen. 

  • Meine Kolleg*innen darauf aufmerksam machen, dass wir ein rein weißes Team sind und das ändern und uns mit unserem Weiß-Sein beschäftigen sollten. 
  • Firmenkund*innen danach fragen, was sie zur Unterstützung von BIPoC tun. Im Anschluss an erfolgreiche Kampagnen BIPoC-Medienschaffende für weitere Arbeit vorschlagen oder direkt als Bedingung setzen, dass auch mit BIPoC gearbeitet werden soll, wenn man mit mir arbeiten möchte. 
  • Einer mehrheitlich weißen Leser*innenschaft immer wieder von dem Thema erzählen, Literatur und andere Ressourcen empfehlen, Reichweite langanhaltend rassismuskritisch nutzen. 

6) Wie hat dein Weiß-Sein deinen persönlichen Lebensweg beeinflusst? Nenne ein Beispiel. 

Auf sehr viele unterschiedliche Arten, die mir sicher nicht alle aufgefallen sind und mir wahrscheinlich auch nach wie vor nicht auffallen. Vielleicht ist auch genau das das Entscheidende: Mir fällt nicht auf, wie problemlos vieles abläuft, weil ich es gewohnt bin und mir keine Gedanken darum machen muss. Das hat mir viel mentale Auseinandersetzung, viel Kraft und persönliche Ressourcen, die ich hätte aufwenden müssen, um mich damit auseinanderzusetzen oder die Widerstände einfach nur zu verarbeiten, erspart. 

7) Kannst du dich daran erinnern, wie du reagiert hast, als dich eine Schwarze Person oder eine Person of Color als weiß bezeichnet hat? Beschreib deine Reaktion. 

Mir ist das erste Mal in einem Buch untergekommen, dass Menschen wie ich als weiß bezeichnet wurden. Ich war zu dem Zeitpunkt zwar schon bereit, mich intensiv mit eigenen Rassismen auseinanderzusetzen und habe mir viele Gedanken über das Thema gemacht – dennoch hat es in mir einen Abwehrreflex ausgelöst, “auf meine Haufarbe reduziert zu werden”, wie ich damals dachte. Noch wesentlicher war das Gefühl, in eine Gruppe gesteckt zu werden, das widersprach meiner Selbstwahrnehmung als eigenständiges Individuum. 

Ich habe mich trotzdem auf den Text eingelassen und weitergelesen (ich weiß leider nicht mehr, welcher es war, kann aber an der Stelle auch wiederholt Exit Racism von Tupoka Ogette empfehlen) und nach und nach verstanden, was der Begriff tut und dass er richtig und wichtig ist. 

8) Warst du schon einmal der Ansicht, dass “für dich alle Menschen gleich sind und du keine Farben siehst”? Wenn das nicht mehr deine Haltung ist, warum hat sich deine Haltung geändert? 

Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals meine Auffassung war. 

9) In welchen Zusammenhängen hast du erstmals über Rassismus gelernt? 

Das war tatsächlich in der Schule: Ich bin auf eine Schule mit dem Abzeichen “Schule ohne Rassismus – Schule ohne Gewalt” gegangen (und habe erst spät realisiert, dass das oft leider auch Feigenblatt ist) und da wurde vor allem die Shoa intensiv im Unterricht aufgearbeitet. Weniger intensiv bis kaum vorhanden war allerdings die Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte und mit dem in Deutschland gegenwärtigen Rassismus. 

10) Hast du in diesen Zusammenhängen gelernt, dass Rassismus strukturell ist? 

Nein. Rassismus war vor allem Vergangenheit und einzelne Extreme wie (Neo-)Nazis, jedenfalls, wenn ich mich richtig erinnere. 

11) Was verstehst du darunter, dass Rassismus strukturell ist? 

Darunter verstehe ich, dass Rassismus keine Eigenschaft von Einzelpersonen oder eine situationsbezogene Handlung ist, sondern es sich um ein System handelt, das sich auf unterschiedlichen Stufen des gesellschaftlichen und politischen Zusammenlebens selbst legitimiert und über Jahrhunderte gewachsen ist. Dieses System beruht darauf, BIPoC zu diskriminieren, zu benachteiligen, unterdrücken und einer als weiß gelesenen Menschen vorrangigen Zugang zu Ressourcen aller Art zu sichern. 

12) Wie beeinflusst es dich, dass Rassismus strukturell ist? 

Es bedeutet, dass ich mich überall repräsentiert sehe, Menschen mit meinem Aussehen als Norm gelten, ich insofern widerstandslos durchs Leben gleiten und mich überall anpassen kann, als dass meine Zugehörigkeit mir weder abgesprochen noch infrage gestellt noch übersehen wird und ich mir bei meinen Vorhaben, Plänen und Zielen sicher sein kann, dass mein Aussehen und/oder meine Herkunft nie der Grund sein werden, warum ich etwas nicht erreichen werde.

13) Wann gehst du im Alltag aktiv gegen Rassismus vor, wenn du ihn wahrnimmst? Wie gehst du gegen Rassismus vor? 

Wenn es sich um ein Gespräch handelt, bei dem rassistische Bemerkungen oder Witze fallen, stoppe ich die Konversation und sage, dass ich das gerade nicht in Ordnung finde und benenne den konkreten Grund: Das ist rassistisch, weil. Häufig wird daraus dann eine Diskussion, die geführt werden muss. Im Arbeitskreis versuche ich, auf problematische Formulierungen, Diversität in Abbildungen und Interview-Partner*innen aufmerksam zu machen.

Der Großteil meines Arbeitens findet im digitalen Raum statt und dort kann ich daher schwerpunktmäßig aktiv werden: Ich spreche Personen an, bei denen mir rassistische Handlungen oder Äußerungen auffallen, versuche, in den Dialog zu gehen (leider ist das oft nicht erfolgreich), calle Firmen out, wenn sie sich klar rassistisch oder performativ aktivistisch verhalten, teile Petitionen, Bücher, Artikel, Dokus und andere Weiterbildungsmaterialien. 

Meinen Feed habe ich ehrlicherweise erst in den letzten Wochen sehr konsequent diverser gestaltet und versuche, verstärkt BIPoC in unterschiedlichen Bereichen und vor allem auch Black Owned Businesses, die ich bis vor kurzem leider auch nicht bewusst auf dem Radar hatte, durch meinen Einkauf zu unterstützen. 

Das wichtigste Vorgehen ist sicherlich immer noch das gegen die internalisierten Rassismen in meinem eigenen Kopf – seitdem ich realisiert habe, dass es sich dabei um eine lebenslange Aufgabe handelt, bin ich noch sensibler geworden, was die Arbeit an mir selbst anbelangt. 

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14) Welche Menschen, Bücher, Podcasts, Blogs, Accounts usw. haben dich in deinem Lernprozess unterstützt? 

Das sind so viele, dass ich sie unmöglich alle nennen kann. Im analogen und privaten Umfeld sicherlich vor allem mein PoC-Partner und dessen Familie, von denen ich immer noch extrem viel lerne – oft, ohne dass uns das bewusst ist – und meine Arbeit im DaZ-Bereich, die zwar schon ein paar Jahre zurückliegt, mich aber wichtige Lektionen gelehrt hat. Dasselbe gilt für einige Seminare an der Uni, in denen wir uns mit transnationaler Literatur und den Themen Flucht, Migration, Trauma und dem Spannungsfeld von als fremd gelesenen oder sich selbst fremd empfundenen Individuum und Gesellschaft beschäftigt haben. 

In jüngerer Vergangenheit haben mich natürlich vor allem Exit Racism von Tupoka Ogette und Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten von Alice Hasters beschäftigt, aber auch die Bücher von Chimamanda Ngozi Adichie, allen voran natürlich Americanah. Viel Input habe ich außerdem über den YouTube-Kanal MTV Impact und über zahlreiche Dokus erhalten – zum Beispiel 13th von Ava DuVernay

Accounts und Menschen, die mich vor allem in den letzten Wochen bezogen auf anti-Schwarzen und Rassismus generell viel haben verstehen lassen, in notwendiger Unvollständigkeit: 

15) Was möchtest du als nächstes im Hinblick auf Rassismus lernen? 

Ich möchte mehr über Kolonialgeschichte lernen (vor allem die deutsche), über die Geschichte der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung und über “Afrika” und die Vielfältigkeit des Kontinents, der häufig als ein homogenes Land vermittelt wird. Außerdem möchte ich die aktuellen Diskurse in den BIPoC-Communities genauer kennenlernen und verstehen, was aus welchen Gründen wichtig ist, um nachhaltig anti-rassistisch zu werden und wo sich Ansichten warum unterschieden. 

Und natürlich auch immer: Was kann ich tun – und wie vermeide ich performativen Aktivismus?

16) Das Lernen weißer Menschen zu Rassismus geht in der Regel mit Abwehr einher (z.B. vom Thema ablenken, Verantwortung von sich weisen, Tränen). Wie gehst du mit dieser Abwehr um? 

Bei mir selbst: Weil ich mich mit White Fragility beschäftigt habe, weiß ich woher diese Reflexe kommen und versuche, sie in der akuten zu unterdrücken oder so mit mir selbst auszutragen, dass BIPoC keine Mehrarbeit durch meine Emotionalität aufgebürdet wird. Natürlich nehmen mich viele Ereignisse mit, aber ich muss das nicht öffentlich mit Toughts & Prayers und tränenreich mitteilen oder sofort meinen PoC-Bekannten in die Inbox grätschen, weil ich eine Frage habe oder gerade etwas gelernt habe, das mich zutiefst erschüttert. 

Bei anderen: Mittlerweile kann ich diese Strategien von Derailing, Centering und Tone Policing gut identifizieren und weise dann darauf hin, was hier gerade passiert und erkläre, dass und warum das jetzt gerade nicht Thema und unangebracht bis gewaltvoll ist. Wie genau das passiert, hängt natürlich auch immer von der jeweiligen Situation und dem Verhalten des Gegenüber ab. 

17) Mit welchen Emotionen äußert sich Abwehr bei dir (Schuld, Wut, Scham, Trauer)? Welche Verhaltensweisen helfen dir, mit diesen Emotionen produktiv umzugehen? 

Ich finde es gar nicht so einfach, den Emotionscocktail, den ich dann fühle, auf ein Gefühl herunterzubrechen. Es hängt auch von meinem Gegenüber (fremden Personen gegenüber fühle ich anders als bei engen Freund*innen) und der Situation generell ab, welche Emotion ich am stärksten fühle, aber ich denke, generell sind es immer mehrere zusammen. Oft kommen beispielsweise Scham und Trauer zusammen vor, aber auch Schuld und Scham oder Schuld und Wut (auf mich selbst). 

Mir hilft es dann, die Emotion nicht sofort rauszulassen, sondern einen Schritt zurückzutreten und mich zu fragen, woher das jetzt auf einmal kommt. Meistens kann ich das innerhalb von wenigen Sekunden beantworten – das löst die Gefühle nicht sofort auf, beugt aber unschönen Eruptionen vor. Im Anschluss an die Situation nehme ich mir Zeit, das Geschehene und das, was in mir vorgegangen ist, zu reflektieren und daraus zu lernen. 

18) Wenn über Rassismus diskutiert wird, beanspruchen einige für sich, dass das “nicht so emotional” sein sollte. Rassismus ist aber ein emotionales Thema, für weiße Menschen besonders. Die Gefühle, die mit Abwehr einhergehen, zeigen das. Wie gehst du damit in Diskussionen mit anderen weißen Menschen um? 

Ich versuche, genau das zu erklären: Dass es eine emotionale Debatte ist und es normal ist, dass (starke) Gefühle geäußert werden – vor allem von Seiten von BIPoC – und versuche, zu umreißen, woher das kommt und es nicht an Weißen ist, darüber zu urteilen oder eine freundliche und immer höfliche Debatte zu verlangen. Je nachdem, ob das Gegenüber sich darauf einzulassen bereit ist, argumentiere ich auch mit entsprechenden Fachbegriffen oder gebe Literaturempfehlungen, die die Perspektive verändern können.

19) In den sozialen Medien sind wir vor allem von Menschen umgeben, die unsere Perspektiven weitestgehend teilen. Das macht es einfach, Solidarität zu bekunden. Wie gehst du mit dem Rassismus deiner weißen Familienmitglieder um? 

Ich muss gestehen, dass ich da viel zu lange nichts gesagt habe, um den (oftmals ohnehin brüchigen) Frieden zu waren und “die Situation nicht zu versauen”. Mittlerweile weiß ich, dass das eine klassische Form von White Solidarity ist – also dem Zusammenhalten weißer Menschen gegen BIPoC und alles, was nur nach Rassimusvorwurf riechen könnte – und spreche rassistische Äußerungen oder Handlungen direkt an, wenn sie mir auffallen (was sicherlich immer noch nicht oft genug geschieht). Oft kommt dann die “War doch nur ein Scherz”-Karte, auf die ich mich allerdings nicht mehr einlasse und die Spielverderberin bin: Das war kein Scherz, solche Witze finde ich nicht lustig, aus diesen und jenen Gründen, bitte lass’ das in Zukunft. 

19a) Bonusfrage: Wenn du rassistisches Handeln weißer Familienmitglieder oder Freund*innen ansprichst, was ist dein Ziel? Ist es realistisch, dass du dein Ziel erreichst? 

Mein Ziel ist nicht, dass mein Gegenüber sofort alles versteht, was ich meine und über Nacht zur*m Anti-Rassismus-Expert*in wird (bin ich selbst auch nicht, auch wenn beides sicherlich erstrebenswert ist). 

Mein Ziel ist, einen Widerstand zu bilden, an dem man merkt, hier geht es nicht weiter und: Scheinbar ist die Perspektive, die ich habe, doch nicht so normal und es lohnt sich, darüber nachzudenken. Wahrscheinlich werden diese Prozesse nicht immer bewusst ablaufen und ich habe auch schon viele Gespräche geführt, im Zuge derer ich dann als lächerlich, empfindlich, hysterisch und so weiter charakterisiert wurde und man sich selbst in den sicheren Hafen des Gewohnten zurückgezogen hat.

Doch ich glaube, dass jede Handlung einen Unterschied machen kann, einen Samen pflanzen kann, wenn man so will – jedenfalls bei sehr vielen Menschen. 

20) In meiner Arbeit mache ich oft die Erfahrung, dass weiße Menschen, die begonnen haben, sich mit Rassismus zu beschäftigen, unrealistische Erwartungen an andere weiße Menschen haben. Nicht selten kündigen sie Freund*innenschaften zu anderen weißen Menschen, die rassistisch handeln (wie sie selbst). Wie unterstützt du andere weiße Menschen in ihrem Lernprozess? 

Oh, das ist ein ganz wichtiger Punkt: Mir ist das sehr lange nicht leicht gefallen, meine Erwartungen runterzuschrauben und obwohl es jetzt besser gelingt, bin ich immer noch oft ungeduldig und nicht so entspannt oder ruhig, wie ich das gerne hätte (und es vermutlich auch fördernder für die Kommunikation und wirkliche Änderung wäre). 

Freund*innenschaften habe ich bisher gekündigt, wenn ich nach einer längeren Zeitspanne gemerkt habe, dass da überhaupt kein Durchdringen ist und es nicht nur um rassistische Handlungen, sondern eine fundierte und bewusst gewollte rassistische Einstellung geht.

Viele Menschen kann man darauf hinweisen, dass das Verhalten nicht okay ist, Gründe und weiterführende Informationsmöglichkeiten nennen. Was aus meiner Perspektive auch wichtig ist: Gefühle zu spiegeln. Zu sagen: “Ja, so habe ich auch mal gedacht” oder “Ich kann verstehen, wie du dich fühlst und was du meinst, aber jetzt sehe ich das anders, weil…” Woran ich mich immer wieder erinnern muss, ist, dass diese Entwicklung ein Prozess ist, der Zeit braucht. 

21) Schau’ dir deine Antworten zu den Fragen 15-19 an, wo siehst du Handlungsbedarf? 

Bei mir selbst: Geduldiger zu werden und zu bleiben, wenn es darum geht, andere weiße Menschen beim Thema Rassismus abzuholen. Weiterhin Wissen anzueignen und weiterzugeben – so, dass möglichst viel damit erreicht wird und die eigenen internalisierten Rassismen immer und immer wieder challengen. Aktiver BIPoC supporten, auch finanziell (Spenden und Einkäufe). 

Generell: Handlungsbedarf sehe ich vor allem auch im Schulsystem – es kann nicht sein, dass ich mich als Erwachsene eigenständig dafür entscheiden muss, mich vor allem mit anti-Schwarzem Rassismus auseinanderzusetzen, damit das in meinem Leben überhaupt passiert. Das müsste viel früher, viel lauter und öffentlicher Thema sein. Ich glaube, es liegt zum großen Teil auch daran, dass viele Menschen immer noch das Gut-Böse-Schema im Kopf haben, wenn es um Rassismus geht: Rassistisch handeln kann man nur, wenn man ein Nazi ist und dann ist man ein böser Mensch. Ich bin aber kein böser Mensch und kein Nazi, also kann ich nicht rassistisch handeln. Mit früher und intensiver Aufklärungsarbeit zur Geschichte von Rassismus und dem System dahinter könnte man genau da ansetzen – ich denke, das würde viele Diskurse leichter machen und einige Probleme lösen. 

22) Welche Ressourcen stellst du Schwarzen Menschen und Organisationen regelmäßig zur Verfügung (Geld, Arbeitszeit)?

Das ist auf jeden Fall ein Punkt, der bei mir ausbaubar ist. Ich stelle Arbeitszeit in dem Sinne zur Verfügung, als dass ich mich mit den Inhalten von Schwarzen Menschen und Organisationen beschäftige und sie im Zuge meiner eigenen Arbeit teile oder für Artikel und anderen Content nutze (mit Credits, versteht sich). 

Unregelmäßig spende ich seit einiger Zeit, aber das könnte auch zuverlässiger werden. Generell achte ich seit Jahren darauf, nicht nur nachhaltig, sondern auch fair zu kaufen und versuche, entlang der Lieferkette meiner konsumierten Produkte so wenig Ausbeutung wie möglich stattfinden zu lassen (vieles ist aber dennoch zu intransparent, als dass ich garantieren könnte, dass sie nicht stattfindet). Auch mit dem gezielten Unterstützen von Black Owned Businesses habe ich kürzlich begonnen. 

23) Rassismus wirkt mit anderen Formen von Diskriminierung, wie Cis- und Heterosexismus Ableismus und Klassismus zusammen. Welche Bedeutung hat das für dein Eintreten gegen Rassimus? 

Lange Zeit habe ich die Zusammenhänge nicht gesehen, aber mittlerweile ist mir klar geworden, dass das spätkapitalistische System die Ursache sehr vieler und aller oben genannter Probleme ist: Damit es Wenige sehr gut haben, braucht es viele, denen es nicht gut geht. Und damit das legitimiert werden kann, braucht es Mechanismen, um Menschen effektiv als “Andere” zu kennzeichnen und zu unterdrücken.

Für mich bedeutet das, dass ich nicht Feministin sein kann, wenn ich mich nicht gleichzeitig auch anti-rassistisch positioniere, dass ich nicht gegen die Diskriminierung von LGBTIQA+-Menschen sein kann, wenn ich nicht gleichzeitig auch gegen die Diskriminierung von be_hinderten Personen Stellung beziehe – und mich in allen Bereichen selbst ständig weiterbilde, um die eigenen anerzogenen Denkmuster zu hinterfragen und zu ändern.  

Es bedeutet aber auch, dass viele Menschen von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind und das immer mitgedacht werden muss. Gleichzeitig hebt eine Form der Diskriminierung eine andere nicht auf oder macht beispielsweise ein Eintreten gegen Rassismus weniger wichtig. 

24) Hast du Schwarze Menschen in deinem Freund*innenkreis? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie unterstützt du sie, wenn sie Rassismus erleben oder mit Nachrichten über rassistische Anschläge umgehen müssen? 

Nein, ich habe keine Schwarzen Menschen in meinem engen Freund*innenkreis. Ein paar sind Bekannte, das Kennenlernen ergab sich zufällig und ist wahrscheinlich auch darin begründet, dass es immer noch viele Räume gibt, in denen Schwarze Menschen wenig Zutritt haben (in der Uni waren beispielsweise in den beiden Studiengängen, die ich absolviert habe, und in zusätzlichen Weiterbildungen nur eine Handvoll Menschen Schwarz – und dort habe ich vor allem meine bis heute wichtigsten Freund*innenschaften geschlossen). 

Da mein Partner PoC ist, habe ich allerdings viel Kontakt zu nicht-schwarzen PoC. Vor allem mit ersterem spreche ich viel und intensiv über Rassismus, bin da, höre zu und analysiere mit ihm gemeinsam, was da gerade passiert (es geht meist um strukturellen Rassismus) und was wir dagegen tun können – und versuche, dann entsprechend in meinem Wirkungskreis zu handeln. 

25) Wie stellst du sicher, dass Schwarze Menschen nicht emotionale Arbeit für dein Lernen zu Rassismus für dich machen? 

Ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich zu 100% auszuschließen ist. Schließlich ist jeder Post, jedes Buch, jeder Artikel, der mir zum 45. Mal erklären muss, warum es keinen Rassismus gegen Weiße gibt und was da eigentlich los war mit der Kolonialgeschichte, emotionale Arbeit – das ist wahrscheinlich nicht zu entkoppeln, selbst, wenn die Inhalte bezahlt sind.

Dennoch gibt es viel, was ich persönlich tun kann und ich bin auch in diesem Bereich nach wie vor dabei, dazuzulernen, um sensibel zu sein und so wenig Arbeit wie möglich zu verursachen.  

  • Wenn ich eine Frage habe, werfe ich die Suchmaschine an und frage nicht direkt eine mir bekannte (oder fremde) Schwarze Person. 
  • Ich reduziere BIPoC nicht auf anti-rassistische Arbeit, sondern sehe sie als Menschen und Expert*innen in dem Bereich, für die sie sich interessieren und/oder für den sie ausgebildet sind. 
  • Hoch emotionale Themen versuche ich zuerst mit mir selbst und anderen weißen Personen, die anti-rassistisch sensibel sind, zu klären.
  • Ich erwarte keine kostenlose Bildungsarbeit. 
  • Ich erwarte keinen Orden für das Mindestengagement. 
  • Ich teile keine gewaltvollen, triggernden Bilder und Videos auf Social Media.

26) Wie unterstützt du, dass die Kritik Schwarzer Menschen Raum bekommt? 

Da ich, wie gesagt, vor allem online arbeite und aktiv bin, versuche ich, auf meiner Plattform regelmäßig Raum dafür zu machen: Artikel und Petitionen, Profile, Bücher und Posts zu teilen – auch von Positionen, die sich widersprechen oder zu denen ich selbst noch keine abgeschlossene Meinung habe, weil ich noch weiter recherchieren und nachdenken muss. Wenn ich Fälle von Silencing oder Derailing sehe, mache ich darauf aufmerksam.

27) Wie nutzt du deine weißen Privilegien für deine Rassismuskritik im Alltag, z. B. im Rahmen deiner Lohnarbeit? 

Ich mache auf mangelnde Diversität aufmerksam – personell, medial (in Abbildungen / Fotos) und weise auf rassistische Äußerungen hin. Da ist für mich in meiner Arbeit mit Agenturen und anderen Medienschaffenden allerdings noch Luft nach oben: In Zukunft möchte ich gezielter nachfragen, ob auch Schwarze Medienschaffende für Kampagnen angefragt werden und wie sich generell die jeweiligen Firmen anti-rassistisch positionieren und engagieren. 

28) In einem Satz: Was haben die Fragen in dir ausgelöst? 

Vor allem die Frage, ob ich genug mache und wie ich effektiv mehr tun kann. 

29) In drei Stichpunkten: Was nimmst du aus diesem Monat mit? 

  • Dranbleiben 
  • Selbstreflexion 
  • Geduld 

30) Such’ dir eine deiner Antworten aus den vergangenen 28 Tagen aus: Gibt es eine Antwort, die du nun nicht mehr vertretbar findest? Warum? 

Ich glaube nicht, bin aber immer offen für kritische Anmerkungen. 

31) Ganz konkret: Wie machst du jetzt weiter? 

Es gibt mehrere Entschlüsse, die ich im vergangenen Monat gefasst habe: 

  • Ich verstärke nach wie vor Stimmen von BIPoC auf meinen Kanälen und erinnere mich selbst immer wieder daran, das nicht zu vergessen. 
  • Ich unterstütze vor allem auch finanziell: durch Spenden und gezieltes Einkaufen bei Black Owned Businesses. 
  • Mehr als vorher möchte ich Menschen und Marken auf rassistisches Verhalten aufmerksam machen, mich öffentlich und nicht-öffentlich (nicht jeder Aktivismus muss gezeigt werden) dagegen aussprechen und in den Dialog gehen. 
  • Ich möchte die Unternehmen, mit denen ich arbeite, gezielt fragen, was sie zur Unterstützung von BIPoC tun und ob sie Schwarze Medienschaffende ebenfalls zu Kampagnen anfragen und nicht nur mich als weiße Frau. 
  • Ich versuche, den Fokus auf Intersektionalität verstärkt auch in den nachhaltigen Bereich zu tragen und mich da intensiver mit den Diskursen und Problemen auseinanderzusetzen – und mehr dazu zu arbeiten. 
  • Im vergangenen Monat habe ich mir viele Bücher zu antirassistischer Weiterbildung bestellt – die werde ich, zusammen mit vielen gespeicherten Artikeln und Dokumentationen – nach und nach durchlesen und mich so weiterhin vor allem auch im Bereich des anti-Schwarzen Rassismus bilden. 

Hast du dich in den letzten Wochen auch verstärkt kritisch mit deinem Weiß-Sein auseinandergesetzt? Erzähle mir davon gerne in den Kommentaren.

Die Challenge zu Kritischen Weißheiten von Josephine Apraku kannst du nach wie vor auf Instagram nachlesen – auch die Kommentare der anderen Mitmachenden sind sehr aufschlussreich und laden zum Austausch ein. 

JENNI MARR

Wanderin im Geiste, mit der Nase im nächsten Buch, nie so ganz zuhause und doch immer da.

KOMMENTARE

[…] ist – weil sie “in der Realität” nicht gesehen und nicht gehört werden, weil ihre Stimmen systematisch gesilenced werden. Weil sie es nicht aus dem Haus schaffen. Weil sie Kinder betreuen, Angehörige pflegen […]

[…] haben sich auch mit diesem Punkt intensiv auseinandergesetzt und sind sich bewusst, dass die Auseinandersetzung mit dem eigenen Weiß-Sein ein Leben lang andauern […]

Rassismus ist allgegenwärtig. Es liegt in der menschlichen Natur andere auszugrenzen und vermeintlich Schwächere zu unterjochen. Und das nicht erst seit Zeiten der Sklavenhaltung.
Unsere Gesellschaft wiederholt immer wieder die Fehler der Vergangenheit. Deutschland ist nach wie vor rechts. Allein dar Aufstieg der Afd ist so ein Indiz. nd doch wundern sich manche über ihr weißes Privileg. Als Durchschnitt und sogenannte Norm, jung, weiß und klug, mit entsprechenden Softskills hat man es in der Tat leichter als andere.
Unsere Gesellschsft ist zwar moderner, doch sie hat sich noch immer kein Stück gewandelt.
Viele denken immer sie ren klüger als die Generationen vor ihnen. Doch sie sind es nicht.

Hallo Maria,
hm, ich tue mich immer ein wenig schwer mit naturalistischen Thesen – sie sind nicht einfach bis gar nicht zu belegen und was man daraus folgert, kann dramatische Konsequenzen haben.

Denn wenn der Mensch von Natur aus schlecht wäre – wären dann nicht sämtliche Menschenrechtsbewegungen zum Scheitern verurteilt, weil es am Ende doch nichts anderes ist, als ein brutales Tier in Ketten zu legen, das bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausbrechen wird? Wo liegt dann der Sinn in antirassistischer, feministischer Arbeit, der Klimabewegung?

Worin ich zustimme: Deutschland hat ein massives Rassismusproblem, immer noch. Und wir tun gut daran, das zu erkennen (auch ein sogenannter Innenminister) und daran zu arbeiten.

Ich bin mir nicht sicher, was du mit “über das weiße Privileg wundern” meinst und ob du auf den Text hier und mich als Person anspielst. Ich kann nur sagen: Wundern tu ich mich schon lange nicht mehr, dafür umso gründlicher nachdenken und meiner Privilegien, die auch wesentlich mit meinem Aussehen zu tun haben, bin ich sehr bewusst. Josephine Apraku, die diese Challenge initiiert hat, ist übrigens nicht weiß. 🙂

Liebe Grüße
Jenni

Hallo Jenni,
es ist sinnvoll darin bestrebt zu sein aus Fehlern zu lernen. Dafür sind sie da. Dazu dient auch der Blick in die Vergangenheit. Das muss nicht per se als Rückschluss bedeuten, dass die Menschheit schlecht sei. Es bedeutet vielmehr, dass wir noch lange nicht so weit in unserer Entwicklung sind wie manche es gerne glauben mögen. Sonst hätten wir Kriege, Rassismus und sonstige Themen schon längst überwunden.
Eine Anspielung auf deine Person war es keineswegs. Viel.ehr eine Andeutung darauf, dass das was für einen selbst normal ist es für einen anderen nicht ist. Und der Durchschnitt einer jenen weißen und privilegierten Gruppierung, auch in anderen Bereichen abseits des Rassismusthemas sich dieser Privilegiertheit oft nicht bewusst ist. Sondern es eben als Norm ansieht.
Es wäre ratsam innerhalb der Kommuniaktion nicht alles auf sich zu beziehen. Sehr interessant das Vier Ohren Modell der Kommunikation. So gesehen ist es eine Deutung des Empfängers in welchem Kontext er Gesagtes und Geschriebenes verstehen möchte. Ratsam wäre in solchen Debatten jedoch primär mit dem Sachohr zuzuhören. Denn was ich sage bezieht sich einzig und allein auf die Sachebene.
Auch das würde vieles in unserer Welt leichter machen. Wenn die Menschen mehr den Fokus auf die sachlichen Aspekte legen würde als alles meist gleich emotional aufzufassen. So könnten Themen des Themas wegen betrachtet und nach Lösungen gesucht werden. Und das persönliche Ego bliebe außen vor.

Hallo Maria,
danke dir für die Erläuterung!
Du hast auf jeden Fall recht, dass eine kritische Distanz zum eigenen emotionalen Erleben (vor allem in dieser Debatte und aus einer privilegierten Position) wichtig ist. Daher habe ich in meinem Kommentar gewissermaßen die Vermutung aufgestellt, ob du dich hier auf das konkret Vorliegende beziehst oder nicht – es war für mich schlicht nicht einzuordnen und kann ja durchaus mehrere Ebenen enthalten. Ich habe das nicht als Angriff auf meine Person gewertet oder so. 🙂

Liebe Grüße
Jenni

Hallo Jenni,
genau so ist es.
Das freut mich. Ich bemühe mich zwar in meiner Sprache auf meine Wortwahl zu achten, doch die feineren Nuancierungen so mancher emotionaler Teilaspekte sind für mich aufgrund dessen, dass ich Autistin bin, dann doch nicht immer so leicht mit einzubeziehen. Daher möchte ich Misverständnisse natürlich ausschließen 🙂.

Alles gut, ich weiß jetzt ja auch bescheid und kann da dann natürlich auch anders drauf reagieren als zu Beginn. 🙂

Liebe Grüße
Jenni

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