Es fühlt sich merkwürdig an: Kaum hat das Abenteuer Schwangerschaft begonnen, ist es auch bald wieder vorbei. Gerade befinde ich mich am Ende der 37. Schwangerschaftswoche und ab der 38. Woche, so wird mir in Artikeln, Büchern, im Klinikum, in dem ich mich mittlerweile vorgestellt habe und bei meiner Gynäkologin gespiegelt, kann es theoretisch losgehen. Irgendwann. Was für ein Gedanke – da ist ein Mensch in meinem Bauch, so ein echter Mensch und bald kann ich ihn kennenlernen!
Ich will noch nicht – oder doch?
Ich glaube, ich habe noch nicht bis in den letzten Winkel meines Gehirns verstanden, was das bedeutet. Wahrscheinlich ist das auch ganz gut so. Und so richtig Abschied nehmen möchte ich noch nicht von dem kugelrunden Bauch und dem kleinen strampelnden Baby darin – auch, wenn die Nächte mittlerweile anstrengender geworden sind (die richtige Schlafposition finden und dann erstmal einschlafen, wenn Baby meint: Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt für ausgiebiges Strecken und Treten!)
Notwendige Aufgaben, die das Unvermeidliche repräsentieren, schiebe ich daher bis auf die letzte Minute auf: den Elterngeldantrag. Das Packen der Kliniktasche. Immerhin: Ich habe schon ein Buch übers Stillen gelesen! Und mir ein paar Dinge für das Wochenbett besorgt (unter anderem Surfbrett-Binden).
In diesen Wochen fühle ich mich…roh. Nah dran an mir, verletzlich wie ein Ei, meiner schützenden Schichten aus Routine und Alltag und Vorhersehbarkeit entkleidet. Vor mir steht der ultimative Kontrollverlust und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das nicht mit gehörigem Respekt erfüllt. “Angst” ist ein zu großes und für mich hier gerade nicht passendes Wort – aber ich habe Respekt vor dem, was da auf uns zukommt und ich weiß, dass es nicht leicht werden wird. Auf der Kurzstrecke (Geburt) wie in der Langdistanz (Erziehung / Familie) nicht.
Ich bin hochemotional und balanciere auf der Fuge zwischen altem und neuem Leben, selten ist mir ein Übergang so bewusst gewesen. Es wird sich fast alles ändern – unwiderruflich. Diese Feststellung beinhaltet Elemente von Versprechen und Drohung gleichermaßen.
Mittlerweile habe ich mich aus vielen meiner beruflichen Verpflichtungen zurückgezogen – eine Art selbst auferlegter Mutterschutz sozusagen -, obwohl quasi jeder Textschnipsel, den ich ins Internet stelle, zu dieser Arbeit gehört. Auch hier musste ich mich ans Loslassen gewöhnen. (Was, wenn ich “danach” nicht wieder zurückkann? Was, wenn eine andere Person meine Arbeit besser macht als ich und ich ersetzt werde? Was, wenn die guten Aufträge dann schon weg sind? Was, wenn…?) In den letzten Jahren habe ich mir viel erarbeitet, hart erarbeitet – und gerade jetzt, wo es gut läuft, zu pausieren, das fühlt sich nicht so einfach an wie gedacht. Es schmerzt sogar ein wenig. Ich liebe meine Arbeit.
Gleichzeitig bin ich voller Vorfreude auf kleine Händchen, die sich um meinen Finger krallen, große Augen, Babyduft und den zarten Flaum auf einem kleinen Köpfchen. Seit Tagen stelle ich mir vor allem eine Frage: Wie wird sie sein? Was für einen Charakter dürfen wir da ins Leben begleiten? Welche Haar- und Augenfarbe wird sie haben? Was wird sie “von mir” haben und was von ihrem Papa? Wird sie draußen auch so temperamentvoll kommunizieren wie im Bauch?
Gleichzeitigkeit
Es ist eine merkwürdige Zeit, die viel zu schnell vergeht, weil ich nicht möchte, dass sie endet – und auf der anderen Seite doch immer neugieriger werde auf das Danach. Wann wird sie den Startschuss geben? Wird sie – so wie ich – absolut keine Lust haben, rauszukommen? (Ich bin ein Kaiserschnittkind.) Wird sie es eilig haben?
Mittlerweile plagt mich das erste schlechte Gewissen: Es gibt zahlreiche Dinge, die ich als Bald-Gebärende einhalten soll und für die ich dann doch zu müde oder zu undiszipliniert bin. Ich schiebe es auf die Adventszeit, dass ich nicht vollkommen auf Zucker verzichten kann. Darauf, dass es so früh dunkel wird, dass ich nicht mehr jeden Tag auf 1 Stunde Bewegung an der frischen Luft komme. Darauf, dass ich sie ja schon mache (gleich!), diese Dehnungs-Übungen. Und dann auf der Couch einschlafe, weil ich so müde geworden bin in den letzten Wochen. Über mir schwebt das Damoklesschwert einer umso anstrengenderen Geburt und in vielen Texten über Mutterschaft lerne ich, dass diese Schuldgefühle wahrscheinlich den Anfang einer nie enden wollenden Kaskade von Mutterschuld in meinem Leben darstellen. Ich bereite mich vor – nicht nur auf die Wühlmaus, sondern auch auf die Rolle, die mir jetzt erwartungsaufgeladen zugetragen wird und in der ich eigentlich in den Augen anderer nur versagen kann. Kurz gesagt: Ich bereite mich auf Mutterschaft im Patriarchat vor.
(M)ein Geburtsplan
Dabei hatte ich es bisher wirklich einfach: Von allen Seiten habe ich in den letzten Monaten gehört, ich wäre die perfekte Schwangere. Perfekt zugenommen, PH-Wert perfekt, durchschnittlich großes Baby, Bauch ohne Dehnungsstreifen, perfekt eingestelltes Baby, fast kein Wasser. Und so entspannt! Ich könne es nicht besser machen. Mein Körper arbeitet nach medizinischen wie gesellschaftlichen Maßstäben perfekt mütterlich. Eher früher als später werde ich davon abweichen und ich tue gut daran, mich vorsorglich zu wappnen. Es werden sicherlich einige Texte dazu folgen.
Vorerst zu einem vorbereitenden Thema, das ich ebenfalls bis auf die letzte Sekunde aufgeschoben habe: dem Geburtsplan. Eigentlich ein Oxymoron – eine Geburt ist meist nicht planbar, jedenfalls nicht bis auf den letzten Checklistenpunkt genau. Aber es ist eine gute Idee, sich selbst und den anderen im Geburtsprozess Involvierten eine Vorstellung davon zu geben, wo die Reise idealerweise hingehen soll.
Eine Idee davon hatte ich schon eine Weile – aber ich habe sie erst am Abend vor dem Vorstellungsgespräch in der Klinik meiner Wahl verschriftlicht. Und dann noch 3 Stunden überlegt, ob ich nicht doch etwas vergessen oder mich unscharf ausgedrückt haben könnte. Am nächsten Tag zog die Hebamme den Zettel aus meinem Mutterpass, las ihn durch und meinte: Das passt alles, das machen wir hier im Haus ohnehin alles genau so, wie Sie sich das vorstellen. Oha, Jackpot! Also: Wenn sich das dann auch in der Praxis bewahrheitet, heißt das.
(Übrigens: Ein Vorgespräch in der Klinik kann auch heißen, dass vorher erstmal eine gynäkologische Untersuchung samt Urinabgeben, Blutdruckmessen, CTG und Ultraschall gemacht wird. Auch so eines der Dinge, die ich gerne gewusst hätte.)
Es gibt sehr viele verschiedene Arten, einen Geburtsplan zu schreiben, habe ich festgestellt, als ich mich nach Inspiration für meinen eigenen umgeschaut habe. Einige machen das sehr detailliert, andere geben nur eine ausgefüllte Checklisten-Vorlage ab.
Ich habe mich für den Mittelweg entschieden: Kein Fließtext, damit die einzelnen Infos leichter zu erfassen sind, aber auch nicht zu kurz, damit ich nicht missverstanden werden kann oder der Ton nicht zu ruppig rüberkommt. Denn am Ende will ich den Hebammen ja keine diktatorisch anmutenden Befehle geben, sondern ihnen meine Wünsche mitteilen. Die mir wichtig sind, ohne Zweifel. Aber am Ende soll es ja um eine Zusammenarbeit, nicht um ein Gegeneinander gehen. Dazu gehört – meines Erachtens – auch, dass ich mich darauf einstelle (und das auch so formuliere), dass Dinge nicht so laufen können wie ich sie mir vorstelle. Und dann im Zweifel auf die Kompetenz der Betreuenden vertraue, da eben sie und nicht ich die entsprechende Fachausbildung haben.
Von Gewalt im Kreißsaal habe ich natürlich gehört und gelesen und hoffe sehr, mir ein gleichermaßen kompetentes wie menschliches Team ausgesucht zu haben. Die bisherigen Erfahrungsberichte, die ich gehört habe, machen jedenfalls Mut. Außerdem ist S. dahingehend gebrieft, dass er im Zweifelsfall interveniert, wenn ihm/uns was komisch vorkommt.
Aber zum konkreten Inhalt – das steht in meinem Geburtsplan:
Oben rechts habe ich meinen Namen und den voraussichtlichen ET notiert – für den Fall, dass der Plan mal aus der Akte fällt oder verlegt wird, kann er so leicht zugeordnet werden. Ich habe außerdem versucht, die einzelnen Wünsche nach Themen zu gliedern, damit eine Orientierung noch ein bisschen leichter fällt.
Umgebung
- Falls möglich, hätte ich gerne gedämpftes Licht.
- Ich würde gerne eine Geburtswanne ausprobieren.
- Ich möchte mich gerne frei bewegen und herumlaufen können und verschiedene Geburtspositionen ausprobieren.
- Wahrscheinlich ist es hilfreich, wenn mich zwischendurch jemand daran erinnert, etwas zu trinken und zur Toilette zu gehen.
- Mein Partner darf Fotos während der Geburt aufnehmen.
- Ich möchte gerne meine eigene Kleidung tragen.
Begleitung
- Ich möchte, dass mein Partner während der Geburt dabei ist und mich aktiv unterstüzt.
- Ich möchte nicht, dass Student*innen oder anderes Krankenhauspersonal, das nicht für die Geburt unbedingt notwendig ist, im Zimmer sind.
Untersuchungen / Überwachungen / Schmerzmittel
- Bevor eine Untersuchung / ein Eingriff stattfindet, möchte ich gerne darüber und über den Ablauf informiert werden.
- Vaginale Untersuchungen möchte ich lieber vermeiden, es sei denn, sie sind unbedingt notwendig.
- Falls nötig, würde ich gerne natürliche Methoden zur Geburtseinleitung verwenden.
- Ich möchte Schmerzmittel nur auf ausdrückliche Bitte angeboten bekommen.
- Wenn eine PDA notwendig wird, würde ich gerne eine mobile PDA erhalten.
- Außer im Notfall möchte ich einen Dammschnitt gerne vermeiden.
Kaiserschnitt
- Ich möchte möglichst keinen Kaiserschnitt, es sei denn, es ist medizinisch nötig.
- Falls er nötig wird, möchte ich gerne, dass mein Partner mich begleitet.
- In dem Fall hätte ich gerne möglichst eine lokale Betäubung.
Nach der Geburt
- Falls möglich, möchte ich nach der Geburt nicht von meinem Baby getrennt werden.
- Nach der Geburt hätte ich gerne so schnell wie möglich Hautkontakt, um eine Bindung mit dem Baby aufzubauen.
- Sollte mir ein Bonding nicht möglich sein, möchte ich, dass mein Partner das übernimmt.
- Ich möchte die Nabelschnur auspulsieren lassen.
- Der*die Ärzt*in oder Hebamme kann die Nabelschnur durchtrennen.
- Ich möchte gerne keine Medikamente erhalten, um die Nachgeburt zu beschleunigen.
- Ich möchte mein Baby so bald wie möglich nach der Geburt stillen, es soll aber den Weg zur Brust selbst finden.
- Beim ersten Stillen hätte ich gerne Hilfe.
- Ich würde gerne über die Untersuchungen / Behandlungen des Babys informiert werden.
- Ich wünsche mir, dass mein Partner bei den Untersuchungen des Babys dabei ist.
- Ich möchte nicht, dass dem Baby ein Schnuller gegeben wird.
- Wenn möglich, würde ich gerne ein Familienzimmer buchen.
Wie gesagt: Im Geburtsplan können alle möglichen Dinge stehen – und einige sind / waren euch vielleicht wichtiger als mir. Andersherum können Dinge, die mir besonders wichtig sind, für euch vollkommen irrelevant sein. Für mich ist zum Beispiel ganz zentral, möglichst wenig gestört zu werden – sowohl unter der Geburt als auch danach (Familienzimmer). Ich bin eine Person, die generell sehr sensibel auf zu viele andere Menschen reagiert – in emotionalen Extremsituationen umso mehr. Das weiß ich und dementsprechend kann ich mich und andere vorbereiten.
Für mich ist außerdem wichtig, dass ich ganz genau weiß, was wann und warum passiert. Es gibt Menschen, die müssen das nicht wissen (too much information) – mich beruhigt es, wenn ich genaue Ablaufpläne kenne. Und wenn es nur die für die nächsten 2 Minuten sind.
Schmerzmittel und eine PDA will ich nicht direkt verabreicht bekommen, schließe ich aber auch nicht von vornherein aus – ich bin nicht der Ansicht, dass eine Geburt möglichst “natürlich” verlaufen muss, damit ich sie gut gemacht habe. Wenn ich nicht mehr kann und das Fenster noch offen ist, dann soll eine PDA her – und zwar bitte, ohne dass ich darum betteln muss.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie viel von dem, was da oben steht, am Ende auch umgesetzt wird bzw. umgesetzt werden kann – und ob ich nicht doch mittendrin meine Meinung zu einzelnen Punkten ändere. Vielleicht werde ich einen Geburtsbericht schreiben. So oder so, die nächsten Wochen werden aufregend!
[…] Hebammen im Kreißsaal sind sehr zugewandt, freundlich und bemüht, sich an den Geburtsplan zu halten, den ich mit ihnen besprochen hatte – und so ist für mich der Kreißsaal mit der […]
Liebe Jenni,
danke, dass du deinen Geburtsplan hier geteilt hast. Bisher hab ich das Thema noch nicht so ganz verstanden. Aber du hast das sehr schön aufgegliedert. Ich glaube, den werde ich in großen Teilen so übernehmen.
Ich wünsch dir alles Gute für die Geburt!
Alles Liebe
Ramona
Liebe Ramona,
danke dir für das Feedback – freut mich sehr, dass der Artikel dir weiterhelfen konnte!
Am Ende ist der Begriff “Geburtsplan” vermutlich auch nicht ganz der richtige – “Wünsche für die Geburt” trifft wahrscheinlich besser. Am Ende kann ja doch alles ganz anders kommen, aber es ist (glaube ich) eine gute Idee, wenn mensch sich vorher schon einmal Gedanken darum gemacht hat, wie der Prozess idealerweise aussehen könnte. Da sind unterschiedlichen Menschen ja auch ganz unterschiedliche Sachen wichtig.
Ich danke dir für deine Wünsche und kann das nur zurückgeben: Alles Gute für den Rest der Schwangerschaft und auch dir eine gute Geburt!
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
auch ich wünsche dir alles Gute für die Geburt. Mir waren auch viele Punkte von deiner Liste für meine Geburten wichtig, letztlich ist so eine Geburt aber eine Ausnahmesituation und währenddessen wird einem wieder einiges egal von so einer Liste. Vielleicht komme ich jetzt mit dem Thema etwas zu spät für dich, wobei, nein, ich denke, es ist an keinem Punkt der SS zu spät, sich damit zu beschäftigen: Hypnobirthing. Ich habe erst in meiner zweiten SS davon erfahren, zur Mitte hin, aber ich denke, es hat mir sehr geholfen, meinen Sohn, der in Beckenendlage lag, natürlich zur Welt zu bringen. Es hat mir Mut, Vertrauen und Sicherheit geschenkt. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Thema auch in deiner Situation hilfreich sein könnte.
Alles Liebe von einer Zweifachmama
Janine
Liebe Janine,
danke dir für den Tipp! Ich habe auch davon gehört, leider ebenfalls sehr spät und mich bisher nur rudimentär damit vertraut gemacht. (Auch, weil die meisten Kurse leider unsagbar teuer sind.) Ich nehme jetzt ein bisschen von den leichter zugänglichen Informationen und Anregungen diesbezüglich mit und bin generell schon sehr gespannt, wie die Geburt laufen wird.
Ich denke auch: So ein Geburtsplan ist gut zu haben (vor allem für sich selbst), aber am Ende ist es ein Ereignis, das eben auch eine starke Eigendynamik hat. Ich lasse mir also auf jeden Fall auch die Optionen offen, mich jederzeit anders entscheiden zu können.
Ich freu mich jedenfalls, dass du (auch?, ich möchte keine Spekulationen über die erste Geburt anstellen) gute Geburtserfahrungen sammeln durftest und danke dir fürs Teilen!
Liebe Grüße
Jenni
Liebe Jenni,
ich wünsche dir alles Gute für die Geburt und ich hoffe, dass sehr viele deiner Wünsche umgesetzt werden. Und natürlich, dass die Geburt glatt verläuft und die Wühlmaus rausflutscht:-)
Liebe Grüße aus Hamburg,
Kirstin
Liebe Kirstin,
ich danke dir für die guten Wünsche und bin optimistisch gespannt, wie alles verlaufen wird. Surreal, dass es schon bald soweit ist!
Liebe Grüße aus dem Münsterland!
Jenni