Objekt Meeressäuger: Wale & Delphine

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13. September 2016

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Delphine sehen so süß aus, so knuffig, so sympathisch, so zum Knuddeln. Dabei vergessen wir leicht, dass die keine Produkte, keine Dinger, sondern Lebewesen sind.

Bereits kleinen Kindern erziehen wir die Liebe zu diesen natürlich und sicherlich schönen Geschöpfen unserer Erde an: Wir gehen mit ihnen in Delphinarien, Zoos und Delphinshows, schenken ihnen Stoffkuscheltiere in Delphinform, schauen uns mit Vorliebe Dokumentationen an, in denen sie neben anderen hübschen Tieren eine Hauptrolle einnehmen. Manch’ einer (der oder die finanziell vielleicht etwas liquider ist oder lange darauf hinspart) ermöglicht sich selbst und dem Nachwuchs das unvergessliche Erlebnis, mit den wunderbaren Meeressäugern zu schwimmen, sie zu streicheln und gleichsam hautnah erleben zu können – live und in Farbe.

Und genau hier ist das Kind gewissermaßen sprichwörtlich bereits in den Brunnen gefallen. Und zwar in jenen der Massenmedienindustrie, die nur ein Ziel hat: den Delphin (und den Wal) als finanziell lohnendes Objekt auszuschlachten.

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Eine Multi-Milliarden-Dollar-Industrie

Rick O’Barry findet in seinem aufwühlenden und unglaublich sehenswerten Film “The Cove” das richtige Wort für das, was mit den Delphinen und auch mit den Walen (die folgenden Ausführungen beziehen sich teilweise auch auf die großen Meeressäuger, auch wenn sie natürlich nicht 1:1 übertragen werden können) bereits seit Jahrzehnten passiert: Es hat sich eine Unterhaltungsindustrie im Multimilliardendollarbereich etabliert.

Diese umfasst ein mittlerweile komplett ausgeklügeltes System zur Vermarktung, zum Verkauf, zur Verwertung dieser Tiere – immer zum Vorteil des Menschen und zum Nachteil des Delphins.

Allein in Deutschland hat es einmal insgesamt 14 Delphinarien gegeben – also Unternehmen, deren Haupteinkommensquelle es war, mit Delphinen zu arbeiten.

Mittlerweile gibt es davon glücklicherweise nur noch zwei (in Duisburg und in Nürnberg) – doch wir dürfen uns fragen, ob das nicht noch immer zwei zuviel sind. Die folgenden Ausführungen sollen zeigen, warum.

Der Delphin – ein hochintelligentes Tier

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Eines soll vorausgeschickt werden: Es ist schwierig, Begriffe wie Tier und intelligent in einem Satz zu verwenden. Aus sprachphilosophischer wie auch aus allgemein-ethischer Sicht müssen wir uns fragen, ob sowohl der Begriff des Tieres als auch derjenige der Intelligenz – bezogen auf dieses Lebewesen – überhaupt angemessen ist. Denn impliziert Tier nicht immer auch eine herablassende Degradierung des bezeichneten Lebewesens (erinnert sei an Redewendungen wie “Du Tier!”, “Der verhält sich wie ein Tier!” und ähnliche – Näheres in diesem Beitrag)? Und: Ist es nicht vollkommen anthropozentrisch (also vom menschlichen Standpunkt aus gedacht), wenn wir mit unserer Messlatte (egal, wie genau an technischen Instrumenten sie nun geschärft sei) anderen Lebewesen Intelligenz in einem bestimmten Grade zu- oder absprechen?

In diesem Beitrag möchte ich daher schlicht von Lebewesen und nicht von Tieren sprechen. Das hat unter anderem auch damit zu tun, zu welchen enormen kognitiven und sozialen Leistungen Delphine und Wale in der Lage sind. Um die Dinge aber sprachlich einigermaßen unkompliziert fassen zu können, werde ich dennoch beim Begriff der Intelligenz bleiben, da wir so am ehesten verstehen, was gemeint ist und schneller einen sprachlichen Bezugspunkt herstellen können. Die sprachliche Komponente sollte uns beim Gebrauch des Begriffes freilich immer bewusst bleiben.

Bezüglich dieser Intelligenz nun gibt es – wie das eigentlich bei fast allen Themen so ist, die etwas ausführlicher untersucht werden – Studien und Forschungsmeinungen, die breit gefächert sind und teilweise weit, sehr weit, auseinandergehen.

So wurde seit dem grandiosen Erfolg der Flipper-Serie in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts (der übrigens auch maßgeblich dafür verantwortlich war, dass das gesamte Geschäft rund um die Delphine überhaupt ins Rollen gebracht wurde) allgemein vermutet und verbreitet, Delphine seien außerordentlich intelligente Lebewesen, hätten ein komplexes soziales Gefüge und ein Gehirn, gemacht für kognitive Höchstleistungen.

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Zahlreiche Studien sprechen dafür – trotzdem gibt es in den vergangenen Jahren Wissenschafler*innen, die das Gegenteil herausgefunden zu haben glauben bzw. die Euphorie der vorausgegangenen Jahrzehnte zu mildern versuchen.

Als Kriterien für ein “intelligentes” Lebeswesen, gemessen an menschlichen Verhältnissen, gelten unter anderem der Gebrauch von Werkzeugen, komplexe soziale Beziehungen sowie – als Gipfel – ein Ich-Bewusstsein, manifestiert in der Selbsterkenntnis im Spiegel.

Delphine nun meistern sämtliche Spiegel-Tests mit Bravour, überzeugen durch spielerisches Verhalten, der Pflege einer komplexen Sozialstruktur, gutem Erinnerungsvermögen (sie können Lautmuster einer bestimmten Person oder eines bestimmten anderen Delphins noch nach 20 Jahren wiedererkennen) und unter anderem der Fähigkeit, schnell symbolische Kommunikationsformen (beispielsweise Zeichensprache) zu erlenen und angemessen darauf zu reagieren.

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Den Knackpunkt bezüglich der Frage nach der Intelligenz der Meeressäuger bilden zwei wesentliche Aspekte:

  • Ist der Delphin eine so große Besonderheit im Tierreich, wie bisher immer vermutet wurde?
  • Kann das Delphin-Gehirn eigentlich solche kognitiven Leistungen, wie sie ihm bisweilen zugeschrieben werden, erbringen?

Neuere Studien suchen, die Vorreiter-Rolle, die der Delphin in der Erforschung seiner Intelligenz im Vergleich mit dem Menschen einnimmt, zu relativieren, indem sie die vorausgeganenen Erkenntnisse, die seit Forschungsbeginn um John Lilly in den 50er Jahren gewonnen wurden, kritisch hinterfragten. Waren die Vergleichswerte zulässig? Ging man eigentlich von richtigen Grundannahmen aus?

In mehreren Tests mit anderen Tierarten (beispielsweise Seelöwen, Elstern, Krähen, Schimpansen und Elefanten) zeugen davon, dass auch diese Lebewesen über ein hervorragendes Gedächtnis, zum Teil komplexe soziale Beziehungsgeflechte sowie eine insgesamt hohe Intelligenz verfügen. (1)

Aus diesen Ergebnissen schlussfolgert man nun, dass Delphine allgemein nicht als der Sonderfall im Tierreich gelten können, als den sie für gewöhnlich betrachtet werden, sondern dass sie zumindest auf einer Stufe mit den anderen genannten Tierarten stehend zu gelten haben, wenn nach dem Grad ihrer Intelligenz gefragt wird.

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Die Frage sollte allerdings wohl eher nicht lauten, ob Delphine aufgrund dieser Erkenntnisse nun doch “gewöhnlich” sind und daher eine durchschnittliche Behandlung, wie sie auch den anderen Tierarten zukommt, verdienen – sondern vielmehr, ob wir nicht unsere Einstellung diesen (und sämtlichen anderen) Tierarten gegenüber grundlegend ändern müssen.

Abgesehen davon ist es aus wissenschaftlicher Perspektive alles andere als zielführend, die Intelligenz verschiedener Arten zueinander in Beziehung zu setzen – zu unterschiedlich sind die individuellen Anforderungen an das Lebewesen, zu unterschiedliche die jeweiligen Voraussetzungen, die es jeweils mitbringt:

Um nur einige Unterschiede zu nennen: Der Delfin lebt im Wasser und ist überwiegend ein akustischer Spezialist. Primaten leben an Land und bei ihnen spielt das Sehen und Riechen eine wichtige Rolle. Aus diesen ursächlichen Unterschieden haben sich weitere Differenzen ergeben, die viele Aspekte des Verhaltens betreffen. Ich bin der Ansicht, dass Fragen wie: sind manche Tiere intelligenter als andere? uns nicht weiterhelfen, um das kognitive Potenzial eines Tieres zu erfassen.Dr. von Fersen, Delfinexperte des Nürberger Delfinariums, 7

Der zweite Kritikpunkt zielt auf die neuronale Struktur des Delphin-Gehirns ab: Können diese Gehirne überhaupt die kognitive Leistung erbringen, die für die den Meeressäugern zugeschriebenen Fähigkeiten nötig ist?

Seit den ersten Forschungen um Lilly hat sich zunächst der Ansatz verbreitet, die Intelligenz eines Lebewesens lasse sich an der Größe seines Gehirns messen. Erst in den späteren Jahrzehnten ist man zu der These gelangt, dass es weniger auf die Größe, als vielmehr auf die neuronale Verschaltung innerhalb des Gehirns ankommt.

Und genau diese wird nun in ihrer Ausgeprägtheit infrage gestellt: Einige Studien legen nahe, dass Delphine nicht so gut vernetzte Gehirne haben, wie bislang mit einiger Euphorie vermutet wurde – es fehlte ihnen zum einen schlicht an Neuronen-Menge und zum anderen sei die Großhirnrinde zu dünn, um eine außergewöhnlich hohe kognitive Kapazität des Gehirns gewährleisten zu können. (1)

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Auf der anderen Seite dieser Debatte stehen Forscher*innen, die diesen Argumenten die überdurchschnittlich und auffällig detaillierte Faltung des Gehirns der Delphine entgegenhalten: Das Delphin-Gehirn sei zwar (in Relation zur eigenen Körpergröße) kleiner als das des Menschen, habe aber aufgrund zahlreicher Faltungen (wir können uns das wie das Zusammenfalten einer Gardine vorstellen) eine wesentlich größere Oberfläche. Dies betreffe vor allem Hirnareale rund um den Neokortex, der zuständig ist für die Generierung des Selbstbewusstseins (wir erinnern uns: wichtiger Faktor für Intelligenz!) und kompliziertere Denkvorgänge. (3)

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Intelligenz als Politikum

Der Grund, aus dem ich die Intelligenz-ja-oder-nein-und-wenn-ja-in-welchem-Grad-Debatte hier so ausführlich ausgebreitet habe, ist dieser:

Die Frage nach der Intelligenz eines Lebewesens bestimmt, wie es durch den Menschen behandelt wird.

Intelligenz ist ein wichtiges – mitunter sogar lebenswichtiges – Kriterium. Und zwar insofern, als dass es den entsprechenden Arten mehr oder weniger menschliche Sympathie garantiert. Alles ,was uns ähnlich ist, mögen wir, schätzen wir. Vor solchen Lebewesen haben wir Respekt, sehen unmittelbar das Menschliche in ihnen, uns selbst widergespiegelt.

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Doch es geht noch weiter: Die Frage nach der Intelligenz anderer Lebewesen – die verglichen werden kann mit der unseren, ja, die unsere sogar vielleicht zu übertreffen vermag! – ist auch und insbesondere eine der politisch zugestandenen Rechte: Wie darf man Lebewesen, die über solche Kapazitäten und Fähigkeiten verfügen, behandeln? Die alles wahrnehmen, die sich selbst bewusst sind? Die wissen – zu jedem Zeitpunkt – wer sie sind, was mit ihnen passiert und die Gefühle, Empfindungen ähnlich wie den unseren haben?

In aller Konsequenz sind daher bereits nicht nur für Menschenaffen, sondern auch für Delphine und Wale Forderungen laut geworden, die ihnen das Merkmal einer “nichtmenschlichen Persönlichkeit” und damit umfassende Grundrechte – ähnlich oder genau gleichlautend denjenigen, wie sie für jeden Menschen festgeschrieben sind – zusprechen. (3,4)

Wenn Delphine aktiv zusammenarbeiten können, ihr eigenes Sprachsystem besitzen, intelligente Problemlösefähigkeiten an den Tag legen, spielen können (ein weiteres, wichtiges Kriterium für Intelligenz), Werkzeuge gebrauchen, um Verstorbene trauern, sich ihrer selbst bewusst sind und unter anderem erfolgreiche Jagdtechniken und anderes Wissen über Generationen weitervererben – dann stellt sich die Frage, ob nicht die Zeit gekommen ist, unsere Sicht auf den Menschen und die ihn umgebenden Lebewesen erneut zu überdenken.

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Massenausbeutung und Massentötung von Delphinen

Und es stellt sich die Frage, warum wir – trotz all’ dieser Erkenntnisse – immer noch zulassen, dass weltweit jedes Jahr Tausende dieser Meeressäuger einen (qualvollen) Tod sterben müssen.

Die Ursachen hierfür sind vielfältiger Art, jedoch allesamt auf eine Grundlage zurückführbar: menschliche Profitgier. Denn spätestens seit jener Flipper-Manie in den 60ern hat die Massenvergnügungsindustrie den scheinbar immer lächelnden Meeressäuger für sich entdeckt. Das ist ein großer Faktor: Delphinarien, Zoos, Shows, in denen die intelligenten Lebewesen gehalten, vorgeführt und gequält werden – bis zum Tode.

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Delphinarien: Tod im Betongefängnis

Es existieren vielfältige Mechanismen zur Ausbeutung von Delphinen – besonders hervorgetan haben sich allerdings sogenannte “Delphinarien”.

Als Delfinarium oder Delphinarium bezeichnet man eine Form der Tierhaltung, in der Delfine oder andere Wale in Gefangenschaft leben. Meist werden sie trainiert und führen entsprechende Kunststücke vor. Man unterscheidet wissenschaftlich geführte Delfinarien, wie im Zoo Duisburg oder im Tiergarten Nürnberg, die sowohl Forschung betreiben als auch einen Bildungsauftrag haben, und reine Show-Delfinarien, wie etwa SeaWorld. Diese Shows dienen ausschließlich zur Unterhaltung der Zuschauer.Wikipedia, 8

Die erwähnte Differenzierung zwischen Unterhaltungs- und Wissenschafts-Delphinarium ist wahrscheinlich auch der einzige Legitimationsgrund für die Existenz der beiden erwähnten Delphinarien – denn die beiden Exemplare in Duisburg und Nürnberg sind die einzigen noch existierenden in Deutschland, alle anderen konnten bereits geschlossen werden.

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Wie auch im Falle von Zoos ist auch die (berechtigte) Kritik an Delphinarien vielfältig:

  • Das Umfeld besteht aus überwiegend aus aus Beton gegossenen Becken. Das ist zum einen absolut nicht vergleichbar mit der lebendigen Unterwasserwelt, die die Meeressäuger im Normalfall erleben dürfen und daher extrem langweilig. Zum anderen werfen die Wände die Echos, mit deren Hilfe die Lebewesen sich unter Wasser orientieren, verstärkt wieder zurück – Desorientierung ist die mildeste der Folgeschäden, welche die Delphine dadurch erleiden.
  • In der Regel werden die Delphine isoliert gehalten – was absolut nicht ihrem natürlichen Bedürfnis nach sozialer Nähe und dem kommunikativen Austausch innerhalb einer Delphin-Gruppe entspricht.
  • Der ständige Kontakt mit Menschen – vor allem der ständige Berührungskontakt und der hohe Lärmpegel in den Delphinarien – stresst die Delphine zusätzlich.
  • Die Delphine bekommen Futter vorgesetzt, welches sie in der Natur niemals fressen würden: tote Fische. Diese sind darüber hinaus meist mit Antibiotika versetzt, um ein Ausbrechen von stressbedingten Geschwüren zu verhindern.
  • Wenn sie Kontakt mit Artgenossen haben, findet der auf engstem Raum statt – die Delphine können einander auch bei Konflikten nicht aus dem Weg gehen – es kommt zu Aggressionen, Verletzungen.
  • Das Ausführen der immer gleichen Bewegungen, der immer gleiche Tagesablauf unterfordert die Delphine und wird ihrer Intelligenz nicht gerecht.
  • Das Argument, die Lebewesen würden es ja nicht anders kennen, weil sie in der Gefangenschaft geboren wurden, zieht nicht: Die Züchtung in Delphinarien schlug bisher fehl – die meisten Delphine sind Wildfänge, die in tödlichen Treibjagden gefangen und verschleppt werden. Hier werden Familienverbände auseinandergerissen und tausende Delphine getötet.

Was genau für Zustände in den Delphinarien herrschen, ist nicht genau bekannt, da die wichtigsten Daten nicht öffentlich gemacht werden: Import- und Sterbelisten sind genauso vor den Augen der Öffentlichkeit verschlossen wie die Medikationslisten.

Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Delphine nicht nur Antibiotika, sondern auch Psychopharmaka ins Essen gemischt bekommen, um dem täglichen Stress halbwegs gewachsen zu sein. Lebewesen, die in freier Wildbehn jeden Tag bis zu 150 Kilometer schwimmen und bis zu 300 Meter tief tauchen, können nicht auf ein paar Quadratmeter gehalten werden, ohne dass das ernsthafte gesundheitliche Folgen hat.

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Schlachtung von Delphinen: grausame Treibjagden

Nach wie vor werden organisierte Treibjagden auf Delphine und Wale veranstaltet. Obwohl die meisten Länder dieser Welt mittlerweile zugestimmt haben, keine Meeressäuger mehr zu jagen, werden die Richtlinien von zwei Gebieten noch immer umgangen: Auf Japan und im Gebiet der Färöer Inseln wird nach wie vor Jagd auf Wale und Delphine gemacht – jährlich werden auf diese Weise Tausende Delphine getötet.

Besonders negativen Ruhm ist durch den preisgekrönten und überaus genialen Dokumentarfilm “Die Bucht”, der unter anderem von Richard O’Barry gedreht wurde, der japanischen Buch bei Taiji zugekommen: In einer aufreibenden Aktion ist es O’Barry und seinem Team gelungen, das Massenabschlachten der Delphine zu beobachten, welches jedes Jahr das Wasser der Bucht blutrot färbt und den Bestand der Delphine um ungefähr 120.000 Lebewesen dezimiert.

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Die Legitimation – die einzig rechtlich zulässige – lautet: Man handle im Namen der Wissenschaft.

Die Delphine (und Wale) würden seziert, untersucht und aus ihren Fängen würden wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen. Das Fangen der Meeressäuger sei also rein wissenschaftlich motiviert. Soweit die offizielle Erklärung.

Tatsache ist aber, dass noch immer viele der Delphine, die im Massaker, das lediglich von ein paar organisierten Fischern durchgeführt wird (dem Dokumentarfilm nach wissen die meisten Japaner*innen überhaupt nichts davon), als abgepackte Fleischpakete im Discounter landen. Man verdient bares Geld mit ihnen.

Ein Problem dabei: Delphine stehen an der Spitze der Nahrungskette im Meer. Unter anderem durch menschliche Eingriffe befindet sich aber immer mehr Methylquecksilber im Meer, das sich in den in ihm lebenden Lebewesen anreichert – pro Nahrungkettenstufe potenziert sich der im Fett angereicherte Wert um das Zehnfache.

Delphine sind also schwimmende Quecksilberfässer – ihr Fleisch ist unwahrscheinlich giftig.

Die andere, weniger offizielle Erklärung (die übrigens auch von den Färöern vorgebracht wird): Es handle sich um Tradition. Man mache das schon seit Jahrhunderten so, da lasse man sich das nicht von ein paar dahergelaufenen Tierschützern verderben.

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Die gefangenen Tiere – diejenigen, die nicht getötet werden – werden an Delphinarien und Zoos in aller Welt verkauft (Sea World steht übrigens ebenfalls auf der Belieferungsliste).

Ein lebender Delfin ist bis zu 150 000 Dollar wert, ein toter rund 600.11

Richard O’Barry – einst der Trainer der Delphine, die Flipper spielen mussten – hat sich nach dem einschneidenden Erlebnis des Selbstmordes (sie hat bewusst aufgehört zu atmen) eines der Delphin-Weibchen entschlossen, einen beispiellosen Kampf für die Delphine zu führen. Er stellt Fragen, kreuzt auf, ist unbequem – und wird dafür verfolgt, inhaftiert (nun erstmals auch in Japan selbst) und angefeindet.

Doch wenn man “Die Bucht” ansieht, sieht, mit welcher Leidenschaft er und sein Team alles dafür tun, dass die Welt von dem Verbrechen, das dort jedes Jahr in Taiji geschieht, erfährt – dann kann man nichts anders tun, als diesen Mann zu bewundern. Wenn er dort steht, in der japanischen Fußgängerzone, mit dem umgeschnallten Fernseher, auf dem in Dauerschleife die Bilder der geschlachteten Meeressäuger vorbeiziehen, dann fragt man sich, waurm es nicht schon längst aufgehört hat. Und wo eigentlich die anderen sind. Die anderen lauten Stimmen.

Das Problem ist: Es gibt keinen Nachwuchs mehr. Wir werden alt, und keiner in der folgenden Generation findet sich, der unsere Arbeit weiterführt.

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“Empört euch!” heißt das Manifest von Stephané Hessel, dessen Titel hier so gut passt. Empören wir uns! Verbreiten wir die Informationen rund um die Ausbeutung von Delphinen und Walen, die Fakten rund um das Abschlachten, fragen wir, warum jemand wie Richard O’Barry andauernd verfolgt und in seiner Arbeit behindert wird, warum immer noch jährlich Tausende Delphine getötet werden, warum Gesetzte gelockert werden und Politiker*innen wegschauen.

Die Weiten des Internets geben uns die Möglichkeit, aktiv zu werden – jeder und jede in seinem Rahmen und mit dem, was er oder sie leisten kann:

  • Auf der Website der Oceanic Preservation Society könnt ihr euch über aktuelle Projekte von Ric O’Barry und seinem Team auf dem Laufenden halten und Spenden tätigen. Dort gibt es auch den Film “Die Bucht” zu kaufen.
  • Auf der Seite des Dolphin Project (von Ric O’Barry gegründet) gibt es massenweise Information zum Thema.
  • Noch mehr Informationen und Möglichkeiten zum Engagement gibt es auf der Website von The Cove.
  • Und noch mehr Informationen gibt es beim International Marine Mammal Project
  • Was du außerdem tun kannst: Besuche keine Delphinarien und Zoos mehr. Kläre andere Menschen über die Hintergründe dieser Institutionen auf.

Aktuelle Entwicklungen

Zwischen all’ diesen schlechten und grausamen Nachrichten scheint es erste Früchte des Engagements zu geben: So drohte der Weltverband der Zoos und Aquarien (WAZA) unter anderem dem japanischen Verband (JAZA) mit dem Ausschluss, wenn dieser nicht seine Beziehungen zu den Delphinfängern von Taiji einstellte.

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Delphin-Jagden nun der Vergangenheit angehörten – jedoch scheint es zumindest einen ersten Rückgang in den Fangquoten zu geben – in der vergangenen Saison wurden anstelle der üblichen 1500-2500 “nur” rund 800 Delphine gefangen, davon rund 100 lebend – der Rest wurde getötet. Die lebenden Exemplare wurden allerdings zu 80% an ausländische Abnehmer exportiert, die nichts mit der JAZA zu tun haben – der Boykott trägt somit nicht unbedingt ausschließlich unmittelbare Früchte, hat jedoch wichtigen Symbolcharakter.

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Hoffen wir, dass die guten Nachrichten dieser Art in Zukunft zunehmen werden. Es kann und darf nicht sein, dass derart intelligente, fühlende und sozial empfindliche Lebeswesen weiterhin derart grausam und rücklichtslos dem menschlichen Vergnügungsstreben unterworfen und ohne Reflexion getötet, gegessen, verstümmelt, missbraucht und – letzten Endes – versklavt werden, nur damit wir einen scheinbar lächelnden Meeressäuger beklatschen können.

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Vielleicht sollten wir endlich einmal die Perspektive ändern – und uns fragen, was wir eigentlich von ihnen lernen können, anstatt ihnen immer etwas beibringen und aufzwingen zu wollen.

Wie geht es euch mit diesen Informationen? Wusstet ihr über die umfassende Ausbeutung von Delphinen Bescheid? Wie denkt ihr darüber?

Ich konnte hier natürlich nicht auf alle Formen der Ausbeutung von Delphinen und Walen eingehen – da wären beispielsweise noch solche Dinge wie Therapie mit Delphinen, Einsätze für die Marine und andere Dinge mehr – aber ich denke, auch so ist der Artikel schon lang genug geworden und ich bin dankbar, dass ihr ihn zu Ende gelesen habt.

(1) http://www.tagesspiegel.de/wissen/ausgeflippert-delfine-sind-keine-ueberflieger/9032932.html

(2) http://www.focus.de/wissen/natur/tiere-und-pflanzen/war-flipper-eine-luege-delfine-sind-gar-nicht-so-schlau-wie-gedacht_id_4197297.html

(3) http://www.welt.de/wissenschaft/article6534940/Delfin-steht-Mensch-an-Intelligenz-kaum-nach.html>

(4) http://www.bbc.com/news/world-17116882

(5) http://de.whales.org/wale-und-delfine/intelligenz

(6) http://de.whales.org/news/2016/07/wale-und-delfine-trauern-um-verstorbene

(7) http://www.meeresakrobaten.de/delfine/anatomie/delfin-gehirn-und-tierische-intelligenz/

(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Delfinarium

(9) http://www.peta.de/delfinarien-hintergrundwissen

(10) http://www.peta.de/delfinariendeutschland

(11) https://netzfrauen.org/2016/01/19/36928/

JENNI

Wanderin im Geiste, mit der Nase im nächsten Buch, nie so ganz zuhause und doch immer da.

KOMMENTARE

[…] oder? Einen sehr gelungenen Artikel über die Ausbeutung von Walen und Delphinen findest du bei Jenni. Der Mensch fügt auch seinen Artgenossen Leid zu. Man denke nur an die unzähligen Kriege und […]

Liebe Jenni,

ich bin immer noch ein wenig geflashed von deinem Artikel. Vielen Dank für all die Informationen!
Ich war (zum Glück) noch nie in einem Delphinarium. Um mal wieder eine Bali-Geschichte auszupacken: Es gab dort (ich meine im Norden) ein Delphinarium, in das viele, die mit mir studiert haben, gefahren sind und hinterher Fotos hochgeladen haben, auf denen die mit dem “niedlichen, knuffigen” Delphin posieren. Ich fand das einfach nur schrecklich.

Als ich in Balis Norden gefahren bin, dachte ich mir, ich nutze die Gelegenheit, sie in freier Wildbahn zu beobachten. Wir waren vier Leute und ein Indo mit entsprechendem Boot war schnell gefunden. Morgens um 7 sind wir losgeschippert, total gespannt und bester Laune. Je näher wir dem “Dolphin Spot” kamen und je mehr weitere Boote am Horizont auftauchten, desto tiefer sank die Stimmung. Ich glaube, am Ende sind um die 50 Boote dort rumgekurvt und sobald irgendwo auch nur der Ansatz einer Rückenflosse zu sehen war, sind mindestens zehn davon auf genau diese Stelle zugebrettert.
Irgendwann haben wir unserem Fahrer gesagt, er soll bitte wieder zurückfahren, weil wir es einfach nicht mehr ertragen haben. Ich war an dem Tag noch lange mies drauf und an diesem Morgen echt den Tränen nah.

Auf der anderen Seite erinnere ich mich aber immer wieder gerne an unseren Trip zu den Gili Inseln, auf dem plötzlich neben dem Boot zwei Delphine in die Luft gesprungen sind. Es war einfach großartig, so viel Lebensfreude zu sehen und es ist mir unbegreiflich, wie man diese wundervollen Lebewesen einsperren kann. Ich hoffe sehr, dass da bald ein Umdenken stattfindet.

Liebe Grüße,
Natalie

Hallo Jenni,

Ich bin heute über deinen Gastartikel bei Cakeinvasion auf deiner Seite gelandet und bevor ich auch nur ein Rezept gesehen habe hat dieser Post meine ganze Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ich verfolge seit dem ich 2013 den Film “Blackfish” gesehen habe, was in Delfinarien und vor allem in SeaWorld abgeht. Ich selbst habe nie ein Tier in gefangenschsft gesehen (nur Wild in Südafrika und Norwegen) und finde es einfach nur schrecklich. Ich habe auch “Die Bucht” gesehen und auch noch eine Doku in der als Paradebeispiel 2 Zoo-Delfine ausgewildert worden sind (es wird ja immer wieder behauptet dass es nicht möglich sei in Gefangenschaft lebende Delfine/Orcas wieder ausgewildern (was aber mit viel Geduld und aufwand doch geht). Auf jeden Fall verfolge ich das Thema seit Jahren und bin immer wieder erstaunt über die Leichtgläubigkeit der Menschen dass es diesen Tieren gefällt und Spaß macht diese Shows (Seaworld) zu machen und alles gut ist. Die Aggression der Tiere, die Verletzungen, die massiv falsche Haltung und die unmengen an Antibiotika werden einfach ausgeblendet. Die massenvergewaltigungen der Tiere für die (inzwischen schon sehr kritisierten und bald zumindest bei Orcas abgeschafften) breeding Programme ist einfach nur Wahnsinnig vor allem wenn man bedenkt dass es bei BelugaWalen noch nie geklappt hat und die in Gefangenschaft geborenen Orcas wenn sie nicht im 1. JAHR sterben gerade mal 3 Jahre oder so werden… alles ziemlich brutal. Und dann die Ignoranz derjenigen die das Wissen und trotzdem ihren Spaß daran haben. Da wird mir ganz schlecht. Ich habe noch nichts über dich gelesen aber es scheint als wärst du auch in der Philosophie unterwegs… bezüglich der Intelligenz zweifel ich stark an der Intelligenz der Menscheit… und zur Ethik/Tierethik finde ich die Werke von Hans Jonas ziemlich ansprechend. Auf jeden Fall eine ziemlich anschauliche Sache und ich bin jedes Mal wenn ich mich mit diesen großen Meerestieren beschäftige einfach nur fasziniert und unglaublich traurig darüber wie brutal wir mit Lebewesen umgehen…

Liebe Grüße
Helen

Liebe Heli!

Ich freue mich, dass du da bist und gleich einen so reflektierten und ausführlichen Kommentar hinterlässt – danke dir! 🙂

Du hast so viel Input gegeben, dass ich gar nicht weiß, worauf ich als Erstes eingehen soll – ich finde es klasse, dass du so tief in der Thematik drinsteckst und dich so ausführlich damit auseinandersetzt. Der Film “Blackfish” ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall eine wichtige Adresse, da stimme ich dir absolut zu.

Ich kann auch nicht nachvollziehen, wie diese ganzen schrecklichen Fakten, die ja leider nun einmal in Institutionen wie Sea World und ähnlichen an der Tagesordnung sind und über die man sich – ähnlich, wie sich das mit Zoos verhält – ganz leicht informieren kann, einfach an einem vorbeigehen können. Wie sie einen einfach kaltlassen können. Auf der anderen Seite haben gerade diese Vergnügungsmaschinerien ja eine riesige Industrie aufgebaut, die gerade und vor allem Eltern mit ihren Kindern anlocken und die Kleinen für die süßen Säuger begeistern soll. Und gerade da fängt das Problem an: Wenn die Kinder damit aufwachsen, dass es normal ist, wenn andere Lebewesen für mich Künststückchen machen, wenn und weil ich das gerade möchte, werden sie nie den Blick aus der anderen Perspektive lernen. Deswegen finde ich es so immens wichtig, aufzuklären. Und nicht mit dem Nachwuchs einen vielversprechenden Nachmittag im Delphinarium zu verbringen – nur, weil “Flipper” so nett lächelt.

Du hast recht – ich bin in der Tat auch (nun nicht mehr so stark wie noch vor 1-2 Jahren) in der Philosophie unterwegs und habe mich da ausführlich mit Tierrechtstheorien beschäftigt. Bei Hans Jonas müsste ich noch einmal hineinschauen, ich danke dir für den Tipp. Interessant – jedoch auch hochumstritten – sind in diesem Zusammenhang auch die Schriften Peter Singers, falls du noch ein wenig Literatur suchst. 🙂

Liebe Grüße
Jenni

Wow, Jenni, ich finde es so Klasse, dass du dich diesem Thema widmest und auch vor echter Information in Überlänge nicht zurückschreckst – alle Daumen hoch dafür von mir! Tatsächlich hat mein Umweltschutz-Engagement mit genau diesen wunderbaren Tieren begonnen, als ich als Kind mit meinen Eltern im Nürnberger Zoo vorm Delfinarium stand. Ein einsamer Tümmler drehte dort Runde um Runde um Runde. Ich war vielleicht zwölf damals, stand lange vor den Fensterscheiben und konnte nicht begreifen, wie man diese wunderbaren Wesen einsperren kann. Ich bin damals dann ziemlich schnurstracks zu Greenpeace gegangen und habe begonnen, mich für den Schutz von Walen und Delfinen einzusetzen. Es ist wirklich ungeheuerlich, wie sich der Mensch als Krone der Schöpfung denkt und meint, sich alles Untertan machen zu können. Gut, dass es Menschen wie dich gibt, die wachrütteln! Liebe Grüße! Kea

Liebe Kea!

Ich danke dir für deine lieben Worte und freue mich, dass dich solche überlangen Artikel nicht abschrecken, sondern im Gegenteil erfreuen. 🙂
Danke, dass du deine besondere Erfahrung bezüglich dieser schönen Tiere mit uns teilst! Es spricht nur für dich, dass du schon so früh ausgiebig darüber reflektieren konntest und die entsprechenden Konsequenzen für dich gezogen hast – großen Respekt dafür! Ich gebe dir absolut recht – wir vergessen gerne und schnell und immer wieder, dass wir nicht die Götter sind, für die wir uns halten. Deshalb ist es toll, dass es Menschen wie dich gibt, die andere Menschen dabei unterstützen, dass die Folgen eines solch unbedachten Handelns nicht allzu sehr ausufern und der Schaden doch irgendwie in Grenzen gehalten werden kann (obwohl ich mir diesbezüglich leider nicht mehr so sicher bin, je mehr ich darüber lese., was auf der anderen Seite alles getan wird, um die Dominanz des Menschen weiter und weiter auszubauen…).

Liebe Grüße
Jenni

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