02021
Jahreszahlen, habe ich mir vorgenommen, schreibe ich ab sofort mit einer Null am Anfang. Wenn ich vom gerade begonnenen Jahr erzähle, jedenfalls schriftlich, nutze ich also 02021 und nicht mehr 2021. Warum das?
Der Autor und Philosoph Roman Krznaric schreibt in seinem neuen Buch “The Good Ancestor” davon, sich diese Praktik von der Long Now Foundation abgeschaut zu haben – das Ziel dahinter: sich zu vergegenwärtigen, wie kurz die Zeitspanne der menschlichen Existenz auf diesem Planeten und dementsprechend auch das eigene Leben sind. Ein kleiner Schritt auf dem Weg, in größeren Dimensionen zu denken.
Denn, meint Krznaric, das können wir entgegen der Behauptungen des Soziologen Daniel Kahneman (“Schnelles Denken, langsames Denken”) sehr wohl: Die Anlagen zum langfristigen Denken über die aktuelle Woche, die nächsten 5 Jahre oder die kommende Legislaturperiode hinaus seien genauso in uns vorhanden wie die für kurzfristiges Denken. Leider, so der nicht überraschende Befund des Autors, leben wir in einer Kultur, die das Denken in langen Zyklen verlernt hat und deren Planung sich auf immer kleinere Zeitabstände konzentriert. Besonders deutlich zeige sich das im Börsenhandel: In Bruchteilen von Sekunden werde über Wertgewinn und -verlust entschieden. Ein unfassbar schnell drehendes Rad, das die wenigsten Menschen (noch nicht einmal die, die an der Börse arbeiten) richtig verstehen, das allerdings gewaltige Auswirkungen auf die Leben vieler besitzt.
Dem Zusammenschrumpfen unserer Leben auf immer kleinere Zeiteinheiten setzt nicht nur Krznaric ein vor dem Hintergrund der heutigen Verhältnisse revolutionäres Konzept entgegen: die Deep Time.
Wir sind kosmische Staubkörner
In der kosmischen Geschichte existiert die Menschheit seit einem Augenwinkern – und die Wahrscheinlichkeit, dass wir wesentlich länger fortbestehen werden, ist relativ gering. Die Zeitspannen vor und nach unserem Erscheinen auf dem Planeten Erde, ja sogar im Universum, werden bedeutend länger sein als die, welche wir als Spezies miterleben dürfen. Das ist vielleicht nicht für alle Menschen eine besonders erfreuliche Erkenntnis (schließlich beschäftigen die wenigsten sich gerne mit ihrem oder gleich dem Ableben unserer gesamten Spezies) – aber eine, der sich ins Auge zu sehen lohnt.
“We must accept that our personal stories from birth to death, and all the achievements and tragedies of human civilization, will barley register in the annals of cosmological time.” (39) Warum sollten wir das akzeptieren? Was nützt uns das?
Diese Einsicht, so Krznaric, bringe uns einer demütigeren Auffassung von der Rolle des Menschen in der Welt und im Universum näher – und stelle die lineare westliche Geschichtsschreibung, nach der es immer weitergehen müsse mit Fortschritt und Entwicklung infrage: Eine Linie kann mensch kürzen, sie kann in immer kleinere Abstände unterteilt, vermessen und in Geld aufgerechnet, durchkapitalisiert werden. Genau das geschehe gerade -nicht nur mit verheerenden sozialen Folgen, sondern auch vor allem mit der Konsequenz, dass wir als Spezies verlernt haben, was langfristiges Denken und Handeln bedeutet.
Über Enkel*innen-Tauglichkeit hinaus
Wenn Krznaric von “langfristig” spricht, meint er damit nicht die nächsten 20 oder 50 Jahre. Die Skalen der Deep Time reichen über ein gutes Leben für unsere Enkel*innen hinaus und umfassen Zeiträume von mindestens 100 Jahren bis hin zu 10.000 Jahren und darüber hinaus. Es geht um das holistische Verständnis von Zeit, das viele Indigene Kulturen auch heute noch kennen und pflegen: um das Anerkennen der vergleichsweise winzigen Rolle im großen Ganzen bei gleichzeitiger Verantwortungsübernahme, die Zukunft aller Ungeborenen so gut wie möglich zu gestalten. (Einige Indigene Kulturen planen in ihren Entscheidungen 7 Generationen, also mindestens 200 Jahre, voraus.)
6 Wege zum langfristigen Denken
Sich mit der Deep Time vertraut zu machen, kann allerdings nur ein erster Schritt in die Richtung eines im doppelten Sinne des Wortes nachhaltigen Zeitverständnisses sein. Insgesamt definiert Krznaric in “The Good Ancestor” 6 Strategien, sich mit langfristigem Denken vertraut zu machen.
Neben dem Anerkennen der kosmischen Vergänglichkeit gehören dazu:
Legacy Mindset
Wie werden die künftigen Generationen in Hunderten von Jahren sich an uns erinnern? Werden sie dankbar sein für das Vermächtnis, das wir ihnen hinterlassen haben? Oder werden sie es hassen und uns verfluchen?
Wir müssen, meint Krznaric, wegkommen vom dem individualistischen Ziel, als geniale/schöne/ausergewöhnliche Person in Erinnerung zu bleiben, lösen und uns auf eine Meta-Ebene begeben: Unser Ziel muss es sein, eine Welt zu hinterlassen, die so lebenswert ist, dass die Generationen, die wir niemals kennenlernen werden, die “universal strangers of the future” (58), uns dafür dankbar sein können.
“What might our descendants wish we had done better for them? Struggle with it, tussle with it, feel the piercing stare of the future. Whatever the answer, it is a call to action.” (61) Wir haben nicht mehr viel Zeit, ein Vermächtnis zu hinterlassen, auf das wir stolz sein können. Es gilt also, sofort zur Tat zu schreiten.
Die Māori kennen ein Sprichwort, frei übersetzt: “I walk backwards into the future with my eyes fixed on my past.” Das Māori-Konzept whakapapa illustriert die Menschheit als eine ununterbrochene Kette von Ahn*innen und Nachgeborenen, Arm in Arm. Die Sonne scheint jeweils einen kleinen Augenblick auf uns und in dem Moment sind alle im Raum, schreibt Krznaric: die Lebenden, die Toten, die Ungeborenen.
Empathie mit denen, die nach uns kommen, sollte uns dazu verpflichten, in ein gutes Vermächtnis hineinzuwachsen – mit unseren alltäglichen Handlungen (wen wir wählen, was wir konsumieren etc.) Eicheln in den Boden zu pflanzen. Auch, wenn wir die Bäume niemals wachsen sehen werden.
Intergenerational Justice
Dass wir den zukünftigen Generationen mit unserer (und damit ist vor allem der Globale Norden gemeint) Wirtschafts- und Lebensweise gerade einen Bärendienst erweisen, ist mittlerweile bei den meisten angekommen. Krznaric (und nicht nur er) ist der Ansicht, dass vergleichsweise eine kleine Minderheit nicht nur in der Vergangenheit und Gegenwart andere Menschen kolonisiert hat – sondern, dass dasselbe gerade mit zukünftigen Generationen passiert. Wir tun so, als wäre die Zukunft ein weit entferntes, unbevölkertes Land, das wir plündern können, wie es uns beliebt. Wir extrahieren Werte, die noch nicht einmal geschaffen sind, spekulieren und verspielen.
Es gibt unterschiedliche philosophische Argumente dafür, warum wir das nicht tun sollten. Wir könnten sagen, alle Menschen sind gleich viel wert und verdienen eine menschenwürdige Behandlung – egal, wann und wo sie geboren werden. Wir können in utilitaristischer Manier das Glück aller, die jetzt leben gegen das derer, die kommen, aufwiegen. Wir können mit dem Schleier des Nichtwissens operieren und uns die Welt vorstellen, die wir gerne hätten, wenn wir nicht wüssten, wann und in welche Position wir geboren werden würden. Wir können auch nach dem Staffelstab-Prinzip des Kategorischen Imperativs agieren und versuchen, die zukünftigen Generationen so zu behandeln wie wir selbst gerne behandelt werden würden.
Wir können auch alle Argumente kombinieren oder vermischen – wesentlich ist, dass die zukünftigen Generationen irgendwie auf unserem moralischen und politischen Radar auftauchen.
Cathedral Thinking
Die Kunst, weit in die Zukunft zu planen, bezeichnet Krznaric in “The Good Ancestor” als “Cathedral Thinking”. Unter anderem auch deswegen, weil diese Form des Denkens für den Bau heiliger Bauten notwendig war und ist.
Ein bekanntes Beispiel ist das Ulmer Münster. Das wahrscheinlich erste Crowdfunding-Projekt der Weltgeschichte hat über 500 Jahre Bauzeit auf dem Buckel (01377-01890). Es ist gemacht für die Ewigkeit – dementsprechend gab keine Eile bei der Fertigstellung. Die Menschen, die den Grundstein legten, wussten, dass sie das fertige Bauwerk niemals zu Gesicht bekommen würden.
Auch an der Sagrada Familia wurde und wird lange gebaut: 01882 begonnen, wird sie vermutlich erst im Jahr 02026 fertiggestellt werden. In Japan gibt es den Ise Jingū, einen Shinto-Schrein, der seit 690 v. Chr. alle 20 Jahre niedergerissen und in genau demselben Design wieder aufgebaut wird – ein für immer antikes und gleichzeitig neues Gebäude.
Die Geschichte hat gezeigt, schreibt Krznaric, dass die Menschheit einen fundamentalen Systemwandel (der jetzt unbestreitbar notwendig ist) erst einleitet, wenn eine erschütternde Krise stattgefunden hat – und zwar eine, die auch die Privilegiertesten betrifft. Und dann komme es, zitiert nach Milton Friedman, dem Neoliberalen schlechthin, darauf an, welche Ideen herumliegen. Es wäre gut, wenn das Cathedral Thinking herumliegen würde. Möglichst, bevor die Welt untergegangen sein wird. “With no plan, humanity will have no span.” (114)
Die Ökodiktatur wird nicht notwendig sein
Es würde ein wenig zu weit führen, die beiden letzten Strategien für langfristiges Denken (Holistic Forecasting und Transcendent Goal) ebenfalls zu besprechen – aber in aller Kürze: Es ist nach Krznaric zentral, sich klarzumachen, dass nichts für immer wächst. Keine Wirtschaft, kein Leben, keine menschliche Gesellschaft. Alles Lebendige beschreibe in seiner Entwicklung eine S-Kurve: Aufstieg, Höhepunkt, Verfall. Durchschnittlich hätten antike Gesellschaften nur rund 336 Jahre existiert, bevor sie wieder vom Erdball verschwunden seien.
Ein (längerfristiges) Überleben sei nur möglich, wenn wir Wachstumsgrenzen anerkennen und das Streben nach HöherSchnellerWeiter durch gesteigerte soziale Zusammenarbeit und langfristiges Denken ersetzen würden. “A good ancestor recognises a dying system when they see one […]” – und setzen dann alles dran, statt der dysfunktionalen eine gesunde Gesellschaft zu vererben. (136)
Diese Gesellschaft sei keine Diktatur, wie manche sich mit neidischen Seitenblicken auf die Autokratien dieser Welt und ihre Allmacht, ökologische Richtlinien festzulegen und durchzusetzen, behaupten. Im Gegenteil: Nach Krznaric müssen wir (in Analogie an die Deep Time) an einer Deep Democracy arbeiten. Denn: Je demokratischer ein Staat (so die Ergebnisse des Intergenerational Solidarity Index), desto größer ist die Solidarität der Gesellschaft mit den zukünftigen Generationen. Auch, wenn es auf den ersten Blick nicht so wirkt: Autokratien tendieren fast ausschließlich zur Kurzsichtigkeit und haben den schnellen Erfolg vor der Langfristigkeit im Fokus.
Deep Democracy bedeutet nicht nur, die aktuellen Ausgestaltungen von Demokratien beizubehalten – sondern sie umzugestalten und weiterzuentwickeln.
Deep Democracy könnte gekennzeichnet sein durch:
- Guardians of the future: Es braucht politische Institutionen, in denen junge Menschen und künftige Generationen repräsentiert und in den Entscheidungen berücksichtigt werden.
- Bürger*innenversammlungen: Die Zivilgesellschaft soll sich in Versammlungen oder Räten (die Beteiligten werden per Losverfahren ermittelt) austauschen und Strategien für langfristiges Handeln ermitteln.
- Generationengerechtes Recht: Die Rechte und das gute Leben zukünftiger Generationen muss rechtlich verankert und garantiert werden. Dazu gehört beispielsweise, den Straftatbestand des Ökozids (etwa durch Abholzung des Amazonas-Regenwalds oder die Tätigkeiten großer Ölkonzerne) zu etablieren und der Natur Persönlichkeitsrechte zuzugestehen.
- Selbstverwaltete Stadt-Staaten: Um die Kurzsichtigkeit politischer Entscheidungen und den Einfluss “ökonomischer Eliten” auf nationaler Ebene zu bekämpfen, soll es nicht weniger, sondern mehr Föderalismus und stärkere Städte nach dem Vorbild der antiken griechischen Polis geben. Immerhin sind Nationalstaaten nach Krznaric eine relativ junge Erfindung, während Städte die größten und langlebigsten Technologien sind, die die Menschheit bisher zustande gebracht hat. Nach Voraussagen der United Nations werden rund 2/3 der Weltbevölkerung bis zum Jahr 02030 in Städten leben.
Wir müssen die Systemfrage stellen
Nachhaltiges Wirtschaften zahlt sich zwar schon jetzt aus, kann aber nicht die Lösung auf die Frage nach langfristigem und generationengerechtem Handeln sein. Denn “short-termism is built into the generic code of the neoliberal paradigm that has come to dominate the economic thought since it was unleashed on the world in the 1980s by the free-market ideology of Margaret Thatcher and Ronald Reagan.” (196)
Der Neoliberalismus, schreibt Krznaric in “The Good Ancestor”, hat der Welt ein ökonomisches Modell beschert, dass die Realität der Zukunft leugnet – indem er so tut, als wären Ressourcen unendlich und als könnten Märkte immer weiter wachsen und Renditen immer größer werden. Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken seien vielfältig und reichten von Besteuerung (Bestrafung) über Anreize bis hin zum Aufbau komplett neuer Wirtschaftsmodelle wie der Kreislaufwirtschaft oder der Doughnut-Ökonomie. Denkbar sind auch Open-Source-Hardware-Konzepte wie das Fab City Movement, das Baupläne für die Konstruktion eines ganzen Dorfs digital zur Verfügung stellt und die Produktion wieder auf lokale Ebenen fokussiert.
Becoming a Time Rebel
Während er das bespricht und durchdenkt, befindet sich der Autor bereits nicht mehr auf der theoretischen, sondern auf der praktischeren Ebene: Er beschreibt nicht nur, was sein könnte (und aus seiner Perspektive müsste), sondern auch das, was bereits in der Gegenwart von einzelnen Menschen ausprobiert und gelebt wird. “Time Rebels” nennt Krznaric sie, die sich der kurzsichtigen Verwertungslogik des Neoliberalimus zu entziehen und ein Vermächtnis aufzubauen trachten, das sie irgendwann zu Good Ancestors machen könnte. Time Rebels gibt es in allen Bereichen des Lebens: Sie arbeiten als Aktivist*innen, Künstler*innen, Politiker*innen, Lehrer*innen, sind Privatpersonen, die long-term thinking in ihr Umfeld tragen.
Fragen auf dem Weg zum Good Ancestor
Es ist wahrscheinlich, dass in 5000 Jahren immer noch Menschen auf diesem Planeten leben – unter welchen Voraussetzungen auch immer. Es besteht, so die Prämisse, die “The Good Ancestor” zugrunde liegt (und die wir natürlich einkaufen müssen) die moralische Pflicht, ein möglichst gutes Vermächtnis zu hinterlassen. Im Prinzip, so Krznaric, formen alle Entscheidungen, die wir fällen, dieses Vermächtnis – in die eine wie die andere Richtung. Auf politischer, ökologischer, kultureller, technologischer Ebene – Veränderungen sind überall möglich.
Bisher werden sie vor allem durch steinerne Institutionen, die sich gegen Veränderung sperren, den Menschen, denen das aktuelle System nutzt und ein Nichtsehenwollen der gegenwärtigen und kommenden Krisen ausgebremst. Was Krznaric also dezidiert in den Mittelpunkt stellt, und das ist (leider) nicht selbstverständlich, ist die institutionelle und systemische Ebene, auf der Veränderung passieren muss – der Einkaufszettel zählt auch, ist aber nur ein kleiner Teil eines großen Ganzen.
Die zentrale Frage, die wir uns dementsprechend stellen sollen, ist nicht “Wie kann ich einen Unterschied machen?”, sondern: “Wie können wir den Unterschied machen?” Es braucht keine singulären Held*innen, sondern kollektives, nachhaltiges und ausdauerndes Engagement für die vorbildliche Ahn*innen-Schaft.
Wir dürfen uns außerdem folgende Gedanken machen:
- Haben wir Erlebnisse gehabt, in denen wir die Deep Time, unser Eingefügtsein in den größeren kosmischen Zusammenhang, gespürt haben? Was hat das mit uns gemacht?
- Was sind für uns die wichtigsten Gründe, uns für die zukünftigen Generationen einzusetzen?
- Welches Vermächtnis möchten wir für unsere Familie, unsere Gemeinschaft und die Welt hinterlassen?
- Was sollte unserer Meinung nach das wichtigste Ziel der Menschheit sein?
- Glauben wir, dass die menschliche Zivilisation in Zukunft zusammenbrechen wird? Wird sie sich anpassen oder ganz neue Wege finden?
- Welche langfristigen Projekte, die über unsere Lebensspanne hinausgehen, können wir gemeinsam mit anderen angehen?
Fazit
Okay, das war eher eine Inhaltszusammenfassung als eine Rezension.
Der bewertende Part kommt jetzt und er fällt denkbar kurz aus:
- “The Good Ancestor” blickt aus einer spannenden, bisher in der Populärliteratur eher wenig umfassend beleuchteten Perspektive auf unsere Zukunft und stellt die Frage, wie wir unser alltägliches Leben ausrichten sollen, sicherlich für viele Leser*innen neu. Mensch könnte sagen: Das ist der erste Lebensratgeber, den ich wirklich gerne gelesen habe.
- Krznaric verfolgt einen stringenten roten Faden: Erst die Thesen (Wir müssen Good Ancestors sein + Wir können langfristig denken), dann die theoretische Ausgestaltung, wie genau das langfristige Denken trainiert werden kann. Und abschließend konkrete Möglichkeiten, wie das auf systemischer Ebene umgesetzt werden kann, angereichert mit Beispielen von Organisationen und Einzelpersonen, die diesen Weg bereits gehen. Als Lesende werden wir Schritt für Schritt, mit jeweils flüssigen Übergängen durch den Text geführt und ich für meinen Teil fühlte mich an keiner Stelle abgehängt. Das hängt sicherlich auch mit den regelmäßigen eingestreuten Grafiken zusammen, in denen wichtige Thesen strukturiert und zusammengefasst werden. (Einige schmücken diesen Artikel.) Teilweise hatte ich den Eindruck, es wiederholte sich etwas – aber das ist zu verschmerzen und wirkt oft eher, als würde ein Fadenstück, das vorher kurz liegen gelassen wurde, wieder aufgenommen und weitergesponnen.
- Ich kann es nicht oft genug betonen: Ich liebe den konsequenten Fokus auf die systemische Perspektive und das Verzichten darauf, dass wir als Individuen die Bösen sind. Wir sind ein Teil, aber wir existieren immer in größeren Zusammenhängen.
- Daher können auch nur gemeinschaftliche Lösungen sowohl für ein gutes im Sinne von generationengerechtes Vermächtnis sorgen. Wir tragen die Last nicht allein auf unseren Schultern. Das macht genauso Mut wie das Vorstellen konkreter Projekte, an denen bereits gearbeitet wird.
- Eine Schwäche von “The Good Ancestor”: Es gibt viele verschiedene Ideen, die allerdings nicht in die Tiefe ausdiskutiert und auf ihre Umsetzbarkeit hin analysiert werden. Zur Verteidigung kann gesagt werden, dass das auch nicht der Fokus des Textes ist – und sicherlich Platzgründe gegen ein Ausbuchstabieren gesprochen haben.
Krznaric versteht es, durch das Beleuchten unterschiedlichster Perspektiven die Relevanz von langfristigem Denken zu verdeutlichen und gleichzeitig ohne Alarmismus (den mensch ihm nicht verdenken könnte) zu verdeutlichen, wie dringend ein Mind Shift ist.
Ich gehe nicht mit Angst und Überforderung aus “The Good Ancestor” heraus, sondern mit viel Inspiration und zusätzlichem Wissen. Vielleicht auch mit ein wenig neuer Selbsterkenntnis. Jedenfalls war dieses Buch das beste, was ich zu Beginn dieses neuen Jahres lesen konnte und ich möchte es euch sehr ans Herz legen.
Cover: ©Penguin Random House UK — Grafiken: The Good Ancestor: How to Think Long Term in a Short-Term World by Roman Krznaric. Graphic design by Nigel Hawtin. Licensed under CC BY-NC-ND.
Transparenz: selbst gekauft
Ja, allein deine Rezension fand ich sehr inspirierend! Denn ansonsten blicke ich zur Zeit der Zukunft zugegebenermaßen etwas pessimistisch entgegen, in gewissen, vor allem gesellschaftlichen, Punkten.
Das Buch ist also auf meiner Leseliste gelandet 🙂
Hey Luu,
das freut mich sehr! Ich hoffe, es kann dir auch den ein oder anderen guten Denkanstoß mitgeben. 🙂
Das mit dem Pessimismus kann ich leider allzu gut verstehen, daher sauge ich solche Quellen auch immer begierig auf.
Liebe Grüße
Jenni
[…] habe ich hier das Buch von Roman Krznaric vorgestellt, in dem es um langfristiges Denken geht und um eine Weltanschauung, die nicht nur das […]